■ Mit dem Atomersatz auf du und du
: Gülle, Wind und Müll

Berlin (taz) – Die Wind-, Solar- und Biomassetechnik ist der Ökonische entwachsen und reif für die Massenproduktion. Damit könnte sie die heute erzeugte Atomenergie relativ schnell ersetzen. Das sagt jedenfalls Werner Kleinkauf, Vorsitzender des Ausschusses „Regenerative Energien“ beim Verein Deutscher Ingenieure (VDI). Der Antrieb werde dabei wohl aus den Drittweltländern kommen: „Während der Energiebedarf hier stagniert, wird er dort um das zwei- bis dreifache wachsen.“ Außerdem seien die dezentralen und regenerativen Energien für diese Länder kostengünstiger als die hohen Investitionen in ein dichtes Netz von Großkraftwerken.

Die größte Bedeutung könnte der Wasserkraft zukommen. Ihr Anteil an der deutschen Stromerzeugung beträgt zwar nur fünf Prozent. Länder wie Norwegen setzen aber schon zu 90 Prozent auf diese Quelle und produzieren ihren Strom so billig, daß ihn auch deutsche Energieversorger importieren wollen. Mit Energie aus Biomasse – beim Vergären von Gülle, Holz oder Abfällen entsteht Methan, das in Strom oder Wärme umgewandelt werden kann – ließe sich sechs Prozent des gesamten Strombedarfs in Deutschland decken. Allerdings sind die Kosten der Biomasse-Sammlung oft sehr hoch. Auch Windräder werden inzwischen in industrieller Massenproduktion gefertigt. Sie liefern bislang zwar erst ein Prozent der Energie, neue Anlagen sollen diesen Anteil aber verfünffachen.

In Deutschland kann auch die Aufheizung von Heiz- und Duschwasser mit solarthermischen Anlagen bis zu einem Drittel des häuslichen Wärmebedarfs ersetzen. Doch ist diese ökologisch einwandfreie Wärme immer noch doppelt so teuer wie warmes Wasser von der Öl-Zentralheizung.

In südlichen Ländern ist dagegen sogar schon der hierzulande teure Solarstrom oft billiger als der Bau großer Kraftwerke. Wenn Solarzellen aber für den Export in großen Mengen hergestellt werden können, werden sie billiger und könnten dann auch hier einen größeren Markt erobern. Bei solch Aussichten sieht Kleinkauf gute Chancen, mit Atomkraft durch regenerative Energien abzulösen. Bislang deckt die in AKWs erzeugte Energie in Deutschland ein Drittel des Strom- und damit ein Neuntel des gesamten Energiebedarfs ab. Probleme erwartet Kleinkauf lediglich bei stromintensiven Industriebranchen. Für den Übergang müsse man hier verstärkt auf Kohle und Gas setzen.

Offen ist nach Kleinkauf die Frage der Wirtschaftlichkeit: Schließlich seien die genauen Kosten eines Ausstiegs aus der Atomenergie bis heute nicht bekannt. mfn