Ökoenergie läßt Politiker kalt

Energieexperten klagen: Erforschung erneuerbarer Energien wird im Vergleich zu Gen- und Informationstechnik von Bund und Ländern nicht genug gefördert  ■ Von Marcus Franken

Auch einstige Energiehardliner leugnen es nicht länger: Die erneuerbaren Energieträger sind groß im Kommen. Erdölkonzerne wie Shell erwarten, daß in 60 Jahren zwei Drittel des weltweiten Energiebedarfs aus Sonnenwärme, Biomasse, Windenergie und Wasserkraft gewonnen wird. Und die Fachleute des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) versprechen sich einen Jobboom durch eine umweltfreundliche Energieversorgung Europas. Selbst die Exportindustrie könnte davon profitieren.

„Doch gegenüber anderen Bereichen wie der Informations- und Gentechnik wird die Erforschung der nachhaltigen Energieerzeugung unterbewertet“, beklagt der Vorsitzende des Ausschusses „Regenerative Energien“ beim VDI, Werner Kleinkauf. Er und zehn andere führende Wissenschaftler aus der Energieforschung werfen der Bundesregierung in einem noch unveröffentlichten Papier vor, einer entsprechenden Forschungspolitik „keinen Nachdruck“ zu verleihen.

Den „Aufruf zur Neubestimmung der Aufgaben und Bedeutung öffentlich geförderter Energieforschung und -entwicklung“ haben die „Verantwortlichen in der deutschen Energieforschung“ unterzeichnet – darunter die Leiter der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt, des Hahn- Meitner-Instituts, Uni-Professoren und Fusionsforscher. Weil die Deregulierung der Energiemärkte zu einem hohen Kostendruck bei den öffentlichen Energieversorgern führe, würden sie alte, umweltbelastende Kraftwerke kaum erneuern. Für die Erforschung und Entwicklung nachhaltiger Techniken bleibe daher nur wenig Geld übrig.

Wenn in wachsstumsstarken Regionen der steigende Energieverbrauch weiter „ungehemmt aus fossilen Energieträgern“ gedeckt wird, werde daraus „mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Klimaverschiebung resultieren“. Die Wissenschaftler fordern deshalb „wohlhabende Wirtschaftsnationen“ wie Deutschland auf, die „wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und hohe Kompetenz in der Wissenschaft“ einzusetzen, um die Probleme zu lösen. Vor allem müsse die Vernetzung verschiedener regionaler Energiequellen wie Biomasse, Wind- und Sonnenenergie gefördert werden.

Neben möglichen Energieeinsparungen in der Industrie, beim Wohnen und in der Freizeit sehen die Experten gute Chancen für die Brennstoffzellentechnik und die Kernfusion. Doch nicht nur der Umwelt würde eine stärkere Forschungsförderung nutzen. Auch die Exportwirtschaft könnte sich dann in einem weltweiten Zukunftsmarkt etablieren.

Die Politik hat bislang nicht nur diese Chancen der erneuerbaren Energien verkannt. Laut einer VDI-Prognose könnten durch die alternative Energieerzeugung bis zu 1,65 Millionen neue Jobs in Europa entstehen. Das geht aber nur, wenn die EU den Anteil erneuerbarer Energien von heute sechs Prozent bis zum Jahr 2010 verdoppelt. Deren Anteil an der gesamten Energieversorgung beträgt in Deutschland heute ganze zwei Prozent.

Da sind die Pläne von Brandenburgs Wirtschaftsminister Burkhard Dreher schon ehrgeizig: Die Landesregierung will bis 2010 immerhin eine Quote von fünf Prozent erreichen und dazu besonders die Erdwärme fördern. Bisher hat die Landesregierung schon 100 Millionen Mark in erneuerbare Energien gesteckt.

Die erneuerbaren Energien in Deutschland sind aber noch deutlich teurer als die Energie aus Kohlekraftwerken. Besonders wenn die Kraftwerke alt und ihre Baukosten bereits abgeschrieben sind, können die grünen Energien nicht mithalten. So verkaufen sich heute selbst Sonnenkollektoren für warmes Wasser, die schon 25 Jahre auf dem Markt sind und inzwischen als technisch ausgereift gelten, vor allem dann, wenn sie von Ländern wie Nordrhein-Westfalen oder Rheinland-Pfalz gefördert werden. Das Energie-Wirtschaftsgesetz, das kürzlich verabschiedet wurde, fördert den Preisdruck auf dem Energiemarkt zusätzlich. Denn künftig werden nicht nur Industrieunternehmen, sondern auch Privatleute sich den günstigsten unter verschiedenen Stromanbietern aussuchen können.

Immerhin hat das Gesetz die Investitionsbedingungen zum Beispiel für die Betreiber von Windkraftanlagen verbessert: Sie müssen nun nicht mehr befürchten, daß ihnen die Energieversorger eines Tages kein Geld mehr für den ins öffentliche Netz eingespeisten Windstrom geben. Diese Geldquelle sei den Windparkbetreibern durch das neue Recht auch langfristig garantiert.