Laute Tage mit Berti
: Sei mal Müller

■ Aus dem amourösen Tagebuch eines Fußball-WM-Korrespondenten (II)

Müller, sein Name sei mal Müller, stand in der Mixed Zone und dachte über das Leben nach, als endlich das Handy klingelte. Scheiße, grade wo Ronaldo vorbeieierte. Panisch fingerte er danach. Nix. Als er aufblickte, sah er, daß mindestens 13 Kollegen um ihn rum auch doofe Fressen zogen. Nur Sein Name sei mal Honkie quasselte jetzt in sein Ding und tat dabei auch noch, als sei das wieder ein suuuperwichtiger Anruf. Hmhmhm. Natürlich war da nicht Köpke dran. Müller wußte ja, daß Honkie ständig von einem Rückruf quasselte. Das war er aber nicht. Hoffentlich. Müller begann zu schwitzen. Wenn Honkie das Interview kriegte, würde er noch blöder als sonst grinsen. Na, das Schicksal meinte es offenbar gut. Ungefähr siebenhundert Brasilianer stürzten sich eben unter „Zagallo! Zagallo!“-Rufen nach vorn zum Podium – voll durch Honkie durch.

Müller roch zufrieden und konzentriert an einer seiner Achselhöhlen. Aus den Augenwinkeln sah er aber natürlich genau, daß sich Sein Name sei mal Pulitzer unter „Herr Dunga! Herr Dunga!“-Rufen zu Dunga durchgezwängt hatte. Superpeinlich. Kam eh nix raus, dachte Müller, außer daß Dunga mal wieder „Ich nix Deutsch“ sagen würde. Eine Zehntelsekunde später zwängte er sich an fünf Italienern und ein paar Franzosen vorbei. Als er neben Pulitzer stand, war Dunga eben von dem gestoppt worden. Sehr gut. Müller schoß sofort seine Frage ab: Fand der Kapitän nicht auch, daß es nun endlich mal Konsequenzen geben müsse? Dunga lächelte und sagte „brasilianisch“, „Mentalität“, und sein Deutsch sei nicht so gut. Dann ging er weiter. Wenn Müller das irgendwie interessiert hätte, hätte er jetzt in den Augen von Pulitzer Haß sehen können. Oder aus den Jammerfetzen „zweihundert Zeilen Dunga-Porträt eingeplant“ und „eh auf der Abschußliste“ irgend etwas schließen.

Es interessierte ihn aber nicht. „Brasilianisch“ und „Mentalität“, dachte Müller. Damit hatte er doch den eindeutigen Beweis für den Zoff zwischen Dunga und Zagallo. Die Geschichte stand. Pulitzer sollte sowieso bloß die Schnauze halten. „Häßliche Hochhäuser und herrliche Hügel vereinigen sich in ein einerseits pittor-, andererseits groteskes Landschaftsbild.“ Das hatte Pulitzer geschrieben – samt Gedankenstrich oder was das war. Dem war im Stade Velodrome nämlich der Blick über das Spielfeld gerutscht. Herrgott: Müller schüttelte sich, daß die Schweißtropfen sprühten. Man konnte ja über Berti sagen, was man wollte. Aber da hatte er recht: So kriegte der Junge nie den Pulitzerpreis.

Peinlicher war allerhöchstens noch die Welt am Sonntag-Kolumne von Bertis Alter. Sagte Honkie immer. Der hatte natürlich nicht mit Andy telefoniert. Bloß mit seiner eigenen bescheuerten Alten. Honkie schaute dann immer so seltsam. Bevor er jetzt den Einsamkeitsdreck auch nur angedeutet hatte, mußte Müller ihn abwürgen. Mein Gott! Können wir endlich über Fußball reden?

Es wurde dann wie immer. Sein Name sei mal Honkie fing an, die Aufstellung von Córdoba 1978 aufzusagen. Die von den Österreichern. Sein Name sei mal Pulitzer sagte, wir Deutschen hätten etwas im Blut, um das uns die ganze Welt beneide. Alkohol, stimmte Sein Name sei mal Müller zu: Alkohol. Er selbst dachte in der Zwischenzeit über sein Leben nach. Er roch aber bloß, daß er stank. pu