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Nordirlands Verlierer heißt Trimble

Bei den Wahlen zum Regionalparlament müssen die gemäßigten Protestanten Verluste hinnehmen. Sieger sind die katholischen Sozialdemokraten  ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck

Die politische Landschaft Nordirlands verändert sich. Am Freitag abend wurde noch immer ausgezählt, das Ergebnis der regionalen Parlamentswahlen vom Donnerstag, den ersten seit einem Vierteljahrhundert, wird endgültig erst heute vorliegen. Erste Trendmeldungen deuteten jedoch darauf hin, daß David Trimbles Ulster Unionist Party (UUP), die bisher stärkste Partei, erhebliche Verluste erlitten hat und von der katholischen Sozialdemokratischen Partei SDLP überflügelt wurde.

Die SDLP lag gestern bei 22 Prozent, die UUP bei 20 – nur knapp vor Trimbles Widersacher Ian Paisley und dessen Democratic Unionist Party, die auf 19 Prozent kam. Sinn Féin, der politische Flügel der IRA, konnte das Ergebnis von rund 15 Prozent bei den letzten Wahlen nicht verbessern. Die Anzahl der Sitze im 108köpfigen Regionalparlament hängt allerdings stark von den Stimmübertragungen ab: Bei der irischen Variante des Verhältniswahlrechts werden die Stimmen an den als Nummer zwei gesetzten Kandidaten weitergereicht, falls die Nummer eins bereits genügend Stimmen für einen Sitz hat oder hoffnungslos abgeschlagen ist.

Für UUP-Chef David Trimble wird es eng: Die Stimmen der Unionisten scheinen je zur Hälfte an die Befürworter und Gegner des britisch-irischen Abkommens gegangen zu sein, das vorigen Monat in den Volksentscheiden in beiden Teilen Irlands deutliche Zustimmung fand. Trimbles eigene Partei ist in der Frage tief gespalten, eine Reihe von UUP-Abgeordneten werden gemeinsame Sache mit Paisley machen. So hat er in den kommenden Wochen wenig Spielraum für Zugeständnisse – im Gegenteil: Trimble wird, um sein politisches Überleben zu sichern, von der britischen Regierung Konzessionen in Hinblick auf die Entwaffnung der IRA, auf die Regierungsbeteiligung Sinn Féins und auf die umstrittenen Oranier-Paraden durch katholische Viertel einfordern. Der in den vergangenen drei Jahren heftig umkämpfte Marsch in Drumcree soll in acht Tagen stattfinden, genehmigt ist er noch nicht.

Der SDLP-Vorsitzende John Hume, der als Architekt des Friedensprozesses gilt, ist eindeutiger Gewinner der Wahl. Sollten sich die Trendmeldungen bestätigen, könnte Hume für den Posten des Ministerpräsidenten in der zu bildenden Allparteienregierung nominiert werden.

Allerdings benötigt er zur Wahl sowohl die Mehrheit der Nationalisten als auch der Unionisten. Wahrscheinlich wird die SDLP daher David Trimble zum höchsten Amt verhelfen. Das dürfte dessen Sorgen jedoch nur geringfügig verkleinern.

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