Gedenkstätte Ostertor
: Erlebnis Knast?

■ Vergangenheit im Wagenfeld-Haus

Wie hält man die Erinnerung an die Vergangenheit wach? Ein bekanntlich an sich schon schwieriges Problem. Und in seiner Problematik noch steigerungsfähig, wenn die Fläche, auf der 170 Jahre dunkelster Bremer Geschichte erinnert werden soll, auf 35 mickrige Quadratmeter geschrumpft ist.

Es hätten – die erbitterten Auseinandersetzungen darum gehören mittlerweile auch der Vergangenheit an – mehr sein können. Aber das Design-Zentrum, die Wagenfeld-Stiftung sowie die Gesellschaft für Produktgestaltung brauchten und bekamen Platz. So viel, daß nur fünf Zellen und ein schmaler Gang geblieben sind und nun von dem künden sollen, was die Ostertorwache seit 1828 über fast zwei Jahrhunderte lang gewesen ist: Ein Gefängnis.

Aus der (Platz-)Not eine (Erinnerungs-)Tugend machen: Da unter den Bedingungen keine lückenlose Dokumentation der Geschichte des Gefangenhauses möglich ist, will der Leiter des Staatsarchivs Hartmut Müller die Zellen „in Erlebnisräume“ verwandeln. Willkür, Überfüllung, Hoffnungslosigkeit – jeder Raum soll „einen anderen Aspekt erfahrbar machen“, der typisch gewesen sei für das grausame Leben hinter der klassizistischen Fassade des Gebäudes.

Der muffige Geruch, der abblätternde Putz und die Schmierereien an den Wänden: Nichts soll durch Renovierungen verändert werden. Dadurch, glaubt Müller, könnten BesucherInnen nachempfinden, „unter welchen Bedingungen Gefangene hier existieren mußten.“ Überhaupt spielt Müllers Konzept, das gemeinsam mit den Vereinen „Gedenkstätte Ostertorwache“ und „Erinnern für die Zukunft“ entwickelt wurde, stark mit dem Einfühlungsvermögen derer, die ab November die Ausstellung besichtigen werden. Ton-Dokumente mit Texten ehemaliger Gefangener wie Marie Christine Mindermann, die die Haftbedingungen beschreiben, sollen ebenso wie die lebensgroßen Schattenrisse von vier Männern, deren Umrisse in einer Zelle auf den Boden geworfen sind und so drangvolle Enge in dem ständig überbelegten Gefängnis sinnlich erfahrbar machen sollen, authentische Emotionen entfachen.

Der Schwerpunkt der Gedenkstätte wird in der Dokumentation der Zeit liegen, in der sie der Gestapo als Gefängnis diente. In einer fensterlosen Zelle, in der die Gefangenen in Einzelhaft gehalten und psychisch gefoltert wurden, finden sich Porträtaufnahmen vieler Insassen aus dieser Zeit. Eine andere, konzeptionell noch zu gestaltende Zelle wird sich den letzten Jahren der Ostertorwache widmen, wo sie als Abschiebeknast für Flüchtlinge genutzt worden ist.

zott