Sechs Hexen und ein Teufelchen

Rot-grüne Ex-Senatorinnen diskutierten über Reformpolitik im Vorblick auf die Bundestagswahlen. Walter Momper, ganz jovial: Es war eine interessante Zeit mit den Damen  ■ Von Ute Scheub

War es nun ein Hexentreffen oder nur eine verspätete Kabinettssitzung des frauendominierten rot-grünen Senats von 1989? Ex-Frauensenatorin Anne Klein hatte am Sonntag abend zur „Hexensoiree“ ins Haus am Lützowplatz geladen, aber es wurde denn doch eine ziemlich unhexige Familienfeier. Auf dem Podium: sechs rot-grüne Senatorinnen von einstmals, nur Anke Martiny und Jutta Limbach fehlten entschuldigt. In der ersten Reihe Publikum, im roten Hemd strategisch unübersehbar plaziert: der ehemalige Regierende Bürgermeister.

„Diabolo“ Walter Momper, wie die in Israel weilende Ex-Kultursenatorin Anke Martiny ihn in ihrem Grußwort betitelte, wirkte auch nicht gerade teuflisch, sondern wie ein Familienpapi. „Würden Sie mit den Frauen noch mal zusammenarbeiten?“ fragte ihn die Moderatorin und „Zeitpunkte“-Redakteurin Margret Miosga. „Es war eine interessante Zeit“, tätschelte er seinen Mädels jovial die Schulter, leider ohne dabei so rot zu werden wie sein Hemd.

Thema der Podiumsdiskussion: die Chancen von Reformpolitik im Hinblick auf die Bundestagswahlen. Ex-Wissenschaftssenatorin Barbara Riedmüller (SPD) und Ex-Bundessenatorin Heide Pfarr (SPD) demonstrierten, wie sinnvoll es wäre, würde man allen Menschen auf Regierungsposten nach höchstens vier Jahren Herumregierens einen langen Bildungsurlaub gewähren. Beide können nunmehr als Professorinnen die Politik aus gebührendem Abstand betrachten und lieferten deshalb die interessanten und nachdenklichsten Beiträge.

Die Reformvorhaben einer rotgrünen Bundesregierung könnten nur dann verwirklicht werden, analysierte Riedmüller, die jetzt an der FU die Sozialsysteme von EU- Staaten vergleicht, wenn sie von einer Mittelschicht getragen würden, die sich aus dieser Politik Gewinne erwartet. Der britische Regierungschef Tony Blair sei auf diese Weise an die Macht gekommen, aber „bei uns fehlt dieser Ruck“.

Auch Heide Pfarr, nunmehr Leiterin eines Projekts zur Arbeitsumverteilung in der DGB-nahen Hans-Böckler-Stiftung, zeigte sich nicht eben hoffnungsvoll: „Ich glaube nicht, daß von einer rot- grünen Regierung eine rasende Reformlust ausgeht. Die Grünen haben inzwischen verstanden, daß sie alles Richtige nicht mehr laut sagen dürfen, und die SPD weiß das schon lange.“ Hoffnungen aber dürfe man noch auf die Frauen setzen: „Die haben einen stärkeren Veränderungsdruck“, was die Umverteilung von Arbeit anbelange. „Frauen haben einen Sinn für Wohlstand durch Zeit, Männer denken, sie müßten in der gewonnenen Zeit nur mehr aufräumen.“

Barbara Riedmüller hatte ebenfalls „hohe Erwartungen an die Frauen“, denn die Arbeitsumverteilung sei „die existentielle Frage für die nächsten hundert Jahre“. Anders als Ex-Umweltsenatorin Michaele Schreyer, die nicht viel Neues zu berichten wußte, und anders als Ex-Bildungssenatorin Sybille Volkholz, die recht naiv von den „Bürgerarbeitskonzepten“ Ulrich Becks und Kurt Biedenkopfs schwärmte, sahen Barbara Riedmüller und Heide Pfarr die Gefahr, daß Frauen damit in ehrenamtliche Bereiche abgedrängt werden sollen, obwohl sie seit je viel mehr unbezahlte Arbeit leisten als Männer.

Dennoch: Bis auf eine Zänkerei um die Kita-Kürzungen zwischen Anne Klein und Ingrid Stahmer war die Runde äußerst harmonisch. „Wir könnten immer noch im selben Kabinett sein“, befand Heide Pfarr zufrieden.

Und auch Ex-Landespapi Momper schwärmte fast nostalgisch vom damals noch mauerumschlossenen „tollen Berliner Biotop: Es gab keinen Durchgangsverkehr, und der Bund hat alles bezahlt. Wenn die deutsche Einheit nicht dazwischengekommen wäre, säßen wir wahrscheinlich immer noch hier.“