Bertelsmann ignoriert EU

■ Konzernchef: Sender Premiere wird trotz EU-Prüfung als 50/50-Gesellschaft geführt

Berlin (taz) – Ungeachtet einer Kartellprüfung der EU betreiben die Medienkonzerne Bertelsmann und Kirch den Pay-TV-Sender Premiere bereits wie einen gemeinsamen Sender. Das sagte Bertelsmann-Vorstandschef Mark Wössner gestern dem Berliner Inforadio. Premiere werde „quasi schon als 50-zu-50-Firma“ geführt.

Genau dieses Vorhaben aber wollte EU-Wettbewerbskommissar Karel van Miert überprüfen. Er schickte den Konzernen vergangene Woche ein entsprechendes Auskunftsersuchen. Der Kartellwächter vermutet, diese wollten das EU-Verbot ihrer Pay-TV-Allianz umgehen. „Wir gehen davon aus, daß die EU-Kommission den Fall übernimmt, weil er dem von ihr untersagten Vorhaben sehr ähnlich ist“, sagte Kartellamtssprecher Manfred Sacksofsky der taz. Das Kartellrecht verbietet, ein Vorhaben vor Abschluß der Prüfung umzusetzen. Viele Beobachter, auch innerhalb des Bertelsmann-Konzerns, rechnen mit einer Untersagung auch des neuen Plans. Kirch und Bertelsmann wollen Premiere zu einer digitalen Plattform mit vorerst 10–15 Kanälen ausbauen und Spielfilme, Sport und Sexfilme exklusiv anbieten.

Auch beim Sender Vox strebt Bertelsmann (bislang 24,9 Prozent) eine 50/50-Lösung an – mit Medienmogul Rupert Murdoch. Der hatte erklärt, er wolle den Sender ganz übernehmen und mit ihm expandieren. Bertelsmann-Chef Wössner, der fürchten muß, Murdoch könne mit Vox Bertelsmanns RTL Konkurrenz machen, sagte: „Wir halten an Vox fest.“ lm