Ohne Ausstieg beim Atom kein Einstieg in Rot-Grün

■ Grünen-Sprecherin Röstel erklärt Atomausstiegsgesetz zum Essential für eine Koalition mit der SPD und lehnt Schröders Idee von 25 Jahren bis zum Abschalten ab

Berlin (taz) – Die Grünen stellen Bedingungen an die SPD: Beim Atomausstieg müsse Gerhard Schröder Ernst machen. Vorstandssprecherin Gunda Röstel bezeichnete gestern ein Ausstiegsgesetz aus der Atomenergie als „ein Essential für eine Regierungsbeteiligung“. Auch für die Ausstiegsfrist nannte sie die Schmerzgrenze: „Wenn ein Ausstieg über zwei Legislaturperioden hinausgehen soll“, sagte sie der taz mit Blick auf eine Koalition, „dann muß man das nicht machen.“

Damit reagierte sie auf Gerhard Schröders Aussage vom Sonntag, in der der SPD-Kanzlerkandidat erklärt hatte, er halte einen Atomausstieg erst in „zwanzig bis fünfundzwanzig Jahren“ für möglich. Faktisch würde das bedeuten, daß die Atommeiler bis ans Ende ihrer Lebensdauer in Betrieb blieben. „Wenn Schröder in Koalitionsverhandlungen an Restlaufzeiten von zwanzig Jahren festhält, gibt es keine rot-grüne Koalition“, erwiderte Ursula Schönberger, atompolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. Auch Schönberger legte sich fest: Eine Regierungsbeteiligung gebe es nur bei „einem schnellen Ausstieg“, sagte sie der taz. Das bedeutet, so die grüne Abgeordnete, „innerhalb von ein bis zwei Legislaturperioden“. Schönberger bezeichnete Schröders Äußerung als Kampfansage an die Grünen, aber auch an die SPD selbst: „Wenn sich Schröder als Kanzler nicht an Parteitagsbeschlüsse zum Atomausstieg hält, ist die SPD als Volkspartei gescheitert.“ Die SPD-Beschlüsse sehen eine Ausstiegsfrist von zehn Jahren vor. Erstmals forderten die Sozialdemokraten nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 den Ausstieg, zuletzt erneuerten sie dies 1997.

Zwar hält die energiepolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Michaele Hustedt, Schröder „noch für beweglich“. Sie lehnte aber entschieden eine rot-grüne Koalition ab, wenn diese auf eine strengere Sicherheitsüberprüfung aller Reaktoren verzichtet „und die Entsorgungsfrage ungelöst läßt“. Sechs Reaktoren, die ältesten zuerst, müßten Hustedt zufolge noch in den ersten vier Jahren einer Koalition vom Netz. „Verfassungsrechtlich ist das 150prozentig wasserdicht“, erklärte sie. Davon geht auch das Ausstiegsszenario aus, das der hessische Staatssekretär im Umweltministerium, Rainer Baake, hat ausarbeiten lassen. Hustedt wandte sich damit auch an die Adresse von Teilen der bundesdeutschen Anti-Atom-Bewegung, die einen Sofortausstieg fordern.

Der Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Joschka Fischer, geht nach einem Sieg von Rot-Grün von einem „sehr schnellen Konsens“ in der Frage nach dem Atomausstieg aus. Über Fristen für diesen Ausstieg wollte er sich allerdings nicht äußern, er erwartet aber „harte Verhandlungen“. Der Härtegrad, so Fischer, hänge aber davon ab, „wie stark wir bei der Bundestagswahl werden“. Zur Frage nach den möglichen Standorten für ein End- oder Zwischenlager äußerte sich Fischer nicht. Dazu sei die Partei erst nach der Konzipierung eines verbindlichen Ausstiegsgesetzes bereit. Man werde die Karten erst bei konkreten Koalitionsverhandlungen präsentieren. Peter Sennekamp, kpk

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