: Verbündete Kamera
■ „Der Stand der Dinge“: Im Metropolis sind aktuelle Arbeiten der HfbK zu sehen
Eine Frauenfreundschaft: Wilma und Ria sind im tiefen Rentenalter und leben auf dem Kiez. Die eine fabuliert wild drauflos, die andere erinnert sich an nichts. So geht das den ganzen Tag, und Robert Tietz hat zehn Minuten davon in seinem Porträt Wilma und Ria eingefangen. Die Kamera hält er immer drauf, quasi objektiv. Manchmal aber wird die Kamera auch zur Verbündeten, wenn sich die eine nämlich wegdreht, und die andere ihr heimlich einen Vogel zeigt. Wilma hält Ria für verrückt, und Ria hält Wilma für verrückt. So sind die beiden gut über die Jahrzehnte gekommen.
Wilma und Ria läuft heute abend beim „Stand der Dinge“ im Metropolis, einer Schau von aktuellen Arbeiten der HfbK, und die Spanne der ausprobierten Filmformen reicht ein weiteres Mal von Versuchen, Lebenswelten eins zu eins zu dokumentieren, bis zu ästhetischen Wagnissen. Die natürlich auch mal in die Hose gehen können. Das Format der Skizze oder des Fragments wird hier oft gewählt – manchmal vielleicht auch nur deshalb, um sich davor zu drücken, Stringenz herstellen zu müssen. Nicht der Fall ist dies bei Pia Greschners Blue Hour 1 – 3, in der in Zeitlupe Menschen aneinander vorbeischreiten. Viel passiert da nicht, aber die in geheimnisvollem Blau gehaltenen Bilder können mit denen anderer großer Slowmo-Ästheten – von Vigo bis Woo – mithalten. Gerade weil die Regisseurin die Sinngebung offenhält.
Ganz anders der Gastbeitrag Liebe ist Geschmackssache von Piet Fuchs aus Köln, eine Art Porno-Musical. Da wird gerödelt und gesungen und in Sachen Film gedealt – und meistens alles auf einmal. Der kongruente Soundtrack stammt übrigens von einem Künstler namens James Blond.
Christian Buß
21.15, Metropolis
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