Ein neues Ölkartell am Horizont

Saudi-Arabien und Iran sehen das Förderquotensystem der Opec als gescheitert an. Hinter den Kulissen laufen Verhandlungen über neue Ölallianz mit Nicht-Opec-Staaten  ■ Von Niels Boeing

Berlin (taz) – In der Opec gärt es. Die Rohölmärkte zeigen sich überhaupt nicht beeindruckt von der Ankündigung der Opec, die Ölproduktion ab heute um weitere 1,35 Millionen Barrel am Tag herunterzufahren. Sie wissen: Auch dieses Mal wird so manchem Mitglied des einst mächtigen Ölkartells das Hemd näher als der Rock sein. Vereinbarte Förderquoten werden wieder drastisch überzogen werden. Bei den Opec-Gründungsmitgliedern Saudi-Arabien und Iran sind nun erstmals Stimmen laut geworden, daß die Tage der Opec gezählt sein könnten.

Das Quotensystem sei überholt, sagte der saudische Ölminister Ali Al-Naimi nach der Wiener Opec- Konferenz in der vergangenen Woche. Und die iranische Teheran Times formulierte es am Wochenende deutlich: „Entweder es wird ein Komitee eingerichtet, das die Einhaltung der Förderquoten überwacht. Oder die Opec wird aufgelöst und eine neue Organisation gegründet, die den Realitäten des heutigen Ölmarktes ins Gesicht schaut.“

Letzteres ist offenbar mehr als nur heiße Luft. An der Wiener Opec-Konferenz nahmen auch Unterhändler aus Rußland, Mexiko und Oman teil, die dem Ölkartell nicht angehören. Das Wall Street Journal berichtet von Verhandlungen zwischen Saudi-Arabien, Mexiko und Venezuela über ein neues Ölbündnis auf höchster Regierungsebene. Diese drei Länder waren es gewesen, die bereits im März in Riad die ersten Produktionssenkungen beschlossen hatten.

38 Jahre nach ihrer Gründung hat die Opec jegliche Macht über den Ölpreis verloren. Vorbei sind die Zeiten, als sie noch zwei weltweite Ölkrisen auslösen konnte. Ihr Anteil am Weltrohölmarkt dümpelt seit Jahren um die 40 Prozent dahin. Um ein effektives neues Ölkartell aufzubauen, müßten vor allem Rußland und Norwegen, die größten Ölexporteure außerhalb der Opec, mit ins Boot. Zumindest wird erwartet, daß Norwegen sich an Förderabsprachen beteiligen wird. Auch Libyen und Mexiko werden als Kandidaten gehandelt. Diese vier Staaten fördern zusammen 13 Millionen Barrel am Tag. Das ist knapp die Hälfte der offiziellen Opec-Produktion von gegenwärtig 26,25 Millionen Barrel. Eine neue Opec könnte zwei Drittel der weltweiten Ölexporte kontrollieren, schätzt das Wall Street Journal. Genug, um die Preise wieder zu beeinflussen, so der Ölexperte Daniel Yergin, aber nicht genug, um den Markt zu kontrollieren.

Die meisten Beobachter sind sich einig, daß die bisher von der Opec beschlossenen Produktionskürzungen von 2,6 Millionen Barrel täglich den Preis nicht auf etwa 20 Dollar pro Barrel treiben können. Einige Analysten schätzen, daß hierzu pro Tag 4 Millionen Barrel weniger aus den Bohrlöchern der Welt quellen müßten. Bei dem gegenwärtigen Preisniveau von elf bis zwölf Dollar rechnet Fazil Al-Chalbi vom Londoner Zentrum für Globale Energiestudien für 1998 mit Verlusten von 45 Milliarden Dollar für die Opec.

Für die wohlhabenden Opec- Mitglieder im Nahen Osten bedeutet dies nur, daß sie weniger Petrodollars für ihre enorme Rüstung ausgeben können. Die lateinamerikanischen Ölproduzenten hingegen trifft der niedrige Ölpreis hart. Nach Berechnungen der US-Investmentbank Morgan Stanley Dean Witter schrumpft bei einem Preisverfall von einem Dollar pro Barrel Venezuelas Wirtschaft um 1,13 Prozent. Kolumbiens Bruttoinlandsprodukt nimmt in diesem Fall um 0,44 Prozent ab, Mexikos um 0,14 Prozent.

In dieser Zwangslage ist für Fazil Al-Chalbi aber schon das Scheitern der einer neuen Ölallianz angelegt: „Die schlechten wirtschaftlichen Zeiten sind keine ernsthafte Grundlage für solch eine Organisation. Das Problem ist einfach, daß innerhalb und außerhalb der Opec zuviel Öl produziert wird.“