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Auf der Suche nach dem Dialog

Thomas Flierl ist neuer Baustadtrat für den Bezirk Mitte. Im Unterschied zu seiner vorlauten Vorgängerin tritt der gelernte Philospoph leiser, aber doch bestimmt auf  ■ Von Ulrike Steglich

„Ich habe mich nicht nach dem Amt gedrängt“, sagt Thomas Flierl und sieht nicht sehr glücklich drein. Aber die PDS-Fraktion in Mitte hatte just ihre Baustadträtin Karin Baumert abgewählt und sah außer Flierl keinen akzeptablen Ersatzkandidaten. So wurde er im Juni zum Baustadtrat von Mitte gewählt. Mit Flierl hofft man nun einen Kandidaten gefunden zu haben, der – auch in der eigenen Fraktion – weniger polarisiert, sondern die Rückkoppelung sucht und Konflikte moderiert. Flierl gilt innerhalb der PDS als pragmatisch und undogmatisch.

Der 40jährige Philosoph hatte vor der Wende im DDR-Kulturministerium gearbeitet, bevor er 1990 Kulturamtsleiter in Prenzlauer Berg wurde. 1995 wurde er über die Offene Liste der PDS ins Abgeordnetenhaus gewählt und war dort Fraktionssprecher. Er verließ nur ungern das Abgeordnetenhaus und zog ins Rathaus Mitte um. Denn viele „große Brocken“ in Mitte sind längst entschieden, aber für Mittes neuen Baustadtrat „bleiben noch genügend Herausforderungen“.

Eine davon ist das seit seiner Vorstellung Ende 1996 heftig umstrittene „Planwerk Innenstadt der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, das die massive Verdichtung besonders der östlichen City vorsieht.

Flierls Vorgängerin hatte für den Bezirk Mitte zahlreiche Dissense zum Planwerk angemeldet und nach einem zugespitzten Briefwechsel mit dem Stadtentwicklungssenator die Beteiligung des Bezirks an den Gesprächen schließlich ganz aufgekündigt.

Thomas Flierl will nun wieder den Dialog suchen, wenn auch einen „kritischen, offenen und kontroversen“. Die Grundsatzfrage „Wie halten wir es mit dem Planwerk“ führe zu keinem konstruktiven Ergebnis, meint er, will aber den kritischen Dialog auch nicht als „Legitimation des Planwerks“ mißverstanden willen, sondern als inhaltliche Debatte, in der der Bezirk eine souveräne Position einbringen kann. Priorität hat für Flierl vorerst die Fortführung der bezirklichen Bereichsentwicklungsplanung, die derzeit auf Stadtteilkonferenzen mit den Bewohnern diskutiert wird.

Bei seinen ersten öffentlichen Auftritten auf dem letzten Stadtforum und der Planungswerkstatt zur Fischerinsel zeigte sich Flierl denn auch diplomatisch und moderat, ohne jedoch mit Kritik hinterm Berg zu halten: Es geht ihm um die soziale Frage der Innenstadtentwicklung, und auf die habe das Planwerk mit seiner Orientierung auf die „eigentumsfähigen Schichten“ bisher keine Antwort geben können.

Die Antworten auf die Baupolitik will Flierl mit Bausenator Klemann und Stadtentwicklungssenator Strieder suchen. Mit beiden Seiten müsse es „einen berechenbaren, transparenten Prozeß geben und Lösungen zustande kommen, die für Mitte günstig sind“. Deshalb hatte der Abgeordnete Flierl auch per Pressemitteilung die Entscheidung seiner Vorgängerin kritisiert, auf dem umstrittenen Planquadrat Fischerinsel den Bau eines Hochhauses zu genehmigen.

Genau diese Stellungnahme wurde ihm dann von manchen PDSlern im Abgeordnetenhaus übelgenommen: Sie habe den dritten Abwahlantrag gegen Karin Baumert erst ausgelöst, Flierl habe mit dem Posten geliebäugelt und wolle sich nun im Bauressort profilieren.

Sollte das der Fall sein, so hätte er sich besser etwas Sichereres als ausgerechnet den Schleudersitz Mitte gesucht: Nicht nur Karin Baumert, auch deren bündnisgrüne Vorgängerin Dorothee Dubrau hatte vorzeitig ihre wichtigsten Ämter verloren.

Ob sich Flierl mit seinem „Kritischen Dialog“ behaupten kann, wird sich zeigen, wenn jetzt in Planungswerkstätten über das Wohngebiet an der Karl-Marx-Allee und bald über das Areal zwischen Alexanderplatz und Marx-Engels- Forum debattiert wird, das laut Planwerk Innenstadt ebenfalls bebaut werden soll.

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