Entwicklung von Aids-Impfstoffen nur sehr langsam

■ Welt-Aids-Konferenz diskutiert die Vakzine-Entwicklung: Nach 15 Jahren Forschung ist kein potenter Impfschutz in Sicht. Impftests in Thailand und den USA ohne große Erwartungen

Berlin (taz) – Zum ersten Mal wird in größerem Umfang ein Aids-Impfstoff an Menschen getestet. Vergangenen Dienstag begannen in Thailand und den USA gemeinsame Versuche, mit der Injektion des HIV-Proteins „gp 120“ – ein Fragment aus der Hülle des Erregers – mehrere tausend Freiwillige vor der Ansteckung zu schützen. Die Versuchspersonen gehören teilweise zu Hochrisikogruppen, auch Junkies aus Bangkok sind darunter.

Doch Begeisterung über die Impfung wollte bei den 12.700 Teilnehmern der 12. Welt-Aids- Konferenz in Genf nicht aufkommen. In den Veranstaltungen über Impfstoffe (Vakzine) dominierten am Montag Enttäuschung und Skepsis. Kaum ein Wissenschaftler glaubt an den Erfolg. Sollte der Impfstoff bei jedem dritten Testkandidaten funktionieren, wäre diese dürftige Performance schon eine erfreuliche Überraschung. Die Forscher hoffen, daß sie zumindest bei einigen Personen, bei denen der Impfschutz wirkt, beobachten können, welche Reaktionen des Immunsystems das Virus aufhalten können. Aber: „Kein einziger Wissenschaftler, den ich kenne, hat die Erwartung, daß der Impfstoff wirklich effektiv ist“, sagte Ronald Desrosiers vom medizinischen Forschungszentrum Boston.

Während die Therapie der Immunschwäche in den vergangenen Jahren deutliche Fortschritte erzielte, ist die Impfstoffentwicklung weitgehend gescheitert. Nach 15 Jahren halbherziger Forschung glauben viele Experten nicht mehr an das Gelingen: „Eigentlich stehen wir heute an derselben Stelle wie vor drei Jahren“, faßte Desrosiers die Lage zusammen. Der jetzt getestete gp-120-Impfstoff stimuliert zwar bei 99 Prozent der Testpersonen die Entwicklung von Antikörpern, aber dies allein reicht als Infektionsschutz nicht aus.

Andere, sogenannte Lebendimpfstoffe mit verstümmelten Viren erwiesen sich als zu gefährlich. Affen, an denen sie getestet wurden, erkrankten, einige starben an Aids. Die verwendete Vakzine müßte also noch stärker verstümmelt werden, doch dann sinkt die Effektivität. Eine andere Variante wäre die sogenannte nackte DNA- Vakzine. Dabei wird Erbsubstanz des Virus auf harmlose Bakterien übertragen. Doch die Entwicklung steckt noch in den Anfängen.

Es gibt viele Gründe für das Versagen der Impfstoffentwicklung, auch finanzielle. Weltweit werden jährlich 350 Millionen Mark in dieses Forschungsbiet investiert. Zum Vergleich: Allein Brasilien gibt die dreifache Menge für Aids-Medikamente aus. Die Pharmakonzerne konzentrieren sich auf Aids-Therapie, nicht auf Impfung. Da gibt es Geld zu verdienen, sind die Risiken kleiner.

Selbst SmithKline Beecham, der weltgrößte Vakzine-Hersteller, habe, so kritisiert Smeth Berkley, Präsident der „Internationalen Aids-Vakzine-Initiative“, kein eigenes Aidsprogramm. Bei Merck, einem anderen Pharmariesen, sei die „Impfabteilung“ mit einer Halbtagsstelle besetzt. Berkley und seine Mitstreiter fordern mehr Engagement. Ein Impfstoff ist für sie die einzige Chance, die verheerende Epidemie in den Entwicklungsländern zu stoppen. Doch die afrikanischen Länder werden bei der Impfstofforschung ignoriert. Die bisher konstruierten Vakzinen sind allesamt auf den amerikanischen, europäischen oder asiatischen HIV-Typus zugeschnitten.

Dann ist da noch das Virus selbst mit seiner großen Variabilität, die einen maßgeschneiderten Impfstoff fast unmöglich macht. Zudem weiß niemand genau – dies ist das eigentliche große Dilemma –, welche Immunantwort überhaupt nötig wäre, um Menschen vor HIV zu schützen. Die Bildung von Antikörpern genügt jedenfalls nicht. Manfred Kriener