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Duma zeigt sich kompromißbereit

■ Das Antikrisenprogramm von Rußlands Regierung hat gute Chancen, abgesegnet zu werden. Auch die Kommunisten wollen diesmal mitziehen, trotz Rücktrittsdrohung des Premierministers

Moskau (taz) – Rußlands Parlament zeigt sich kompromißbereit: Gestern deuteten die Abgeordneten der Duma an, dem von Premierminister Sergej Kirijenko in der vergangenen Woche vorgelegten Antikrisenprogramm in weiten Teilen ihre Zustimmung zu geben. Der Entwurf sieht vor, die Steuerbelastung des produzierenden Gewerbes zu senken und im Gegenzug höhere Verbrauchssteuern zu erheben. Überdies soll der gesamte Steuerkodex, der landesweit an die 170 Steuerarten umfaßt, vereinfacht und für alle Steuerzahler einheitlich gestaltet werden.

Außerdem sind erhebliche Einsparungen bei den Staatsausgaben vorgesehen. „Wir brauchen 25 Milliarden Rubel monatlich an Einnahmen, treiben aber nur 21 Milliarden ein“, sagte Kirijenko vor der Duma. Bis November hofft der junge Premier, mit Hilfe des umfangreichen Reform- und Sparprogramms das Defizit in der Staatskasse ausgeglichen zu haben. Um einen neuen Kredit vom Internationalen Währungsfonds (IWF) zu erhalten, der den russischen Finanzen zumindest vorübergehend eine gewisse Stabilität verleiht, muß die Regierung deutliche Signale aussenden: Statt Symptombekämpfung muß sie Bereitschaft zeigen, einschneidende Strukturveränderungen vorzunehmen.

Vertreter des IWF in Moskau deuteten an, diesmal würden keine Gelder lockergemacht, um lediglich wieder Löcher zu stopfen. Grigorij Jawlinski, Chef der oppositionellen Refompartei Jabloko, stieß ins gleiche Horn: „Alkoholiker kann man nicht mit Wodka therapieren.“ Nikolai Charitonow, Vorsitzender der linken Agrarpartei, kommentierte die partielle Zustimmung der Duma: „Uns ist Kirijenko und seine Regierung egal, wenn sie aber untergeht, hat, wer die Arbeit übernimmt, nur noch ein Wrack in den Händen.“

Von ähnlichen Überlegungen ließ sich wohl die Mehrheit der Opposition leiten. Nicht zu unterschätzen ist indes auch der Druck, den Präsident Boris Jelzin auf die Volksvertreter ausübt. Bereits letzte Woche drohte er, die Legislative aufzulösen, sollte sie ihre Zustimmung versagen. Kirijenko machte überdies eine programmatische Aussage, die die linksorientierten Kräfte nur begrüßen können. Die Phase des liberalen Umbaus sei nun vorbei, meinte der Premier. Die Rückkehr des Staates in die Wirtschaft sei daher in begrenztem Maße vonnöten. Scheitert sein Programm, wolle er wohl zurücktreten. Bereits am Dienstag hatte die Regierung deutlich gemacht, daß es ihr diesmal ernst ist: Mit Ölgesellschaften wurde mit sofortiger Wirkung die Exportlizenz gesperrt. Der Kommentar von Vizeministerpräsident Wiktor Christenko: „Die Regierung ist entschlossen, alle Marktteilnehmer zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen beim Staat zu bringen.“ Klaus-Helge Donath

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