Kunst findet an der Peripherie statt

■ Das Land baut in Weißensee 18 Ateliers für Künstler. Doch die sind damit nicht sehr glücklich

Wo es heute noch mangels Fensterscheiben kräftig zieht und der Hauseingang nur über Bretter zu erreichen ist, sollen in einem Jahr Künstler in schicken, funkelnagelneuen Ateliers ihre Werke schaffen. In der ehemaligen Gasglühlichtfabrik Phoenix in Weißensee baut das Land mit Hilfe der Bremer Firma HMS Mühlbacher KG 18 geförderte Atelierwohnungen. Gestern war Richtfest, was Kultursenator Peter Radunski (CDU) gleich zum Anlaß nahm, seinen Einsatz für die Künstler zu würdigen.

2,4 Millionen Mark zahlt das Land seit 1993 jährlich für das „Ateliersofortprogramm“. Das Projekt in der Weißenseer Bizetstraße verschlingt insgesamt etwa 4 Millionen Mark. Mit dem Programm, führte Radunski aus, will das Land die schwierige Lage der Berliner Künstler seit dem Mauerfall kompensieren. Die steigenden Mieten – vor allem nach Sanierungen von Altbauten – sind von den Künstlern kaum noch bezahlbar. Knapp 300 Künstlern hat das Land bislang Räume verschafft, dennoch fehlen laut Radunski noch 1.000 Ateliers.

Die Altbausanierung wurde auch der Videokünstlerin Vera von Wilcken zum Verhängnis. Sie gehört zur 40köpfigen Künstlergemeinschaft „Apparat“, die bis vor kurzem in Mitte ein ganzes Hinterhaus gemietet hatte. Als die Miete stieg, saßen die Künstler auf der Straße. Für die Bizetstraße kann sich Vera von Wilcken allerdings nicht begeistern: „Für uns ist das hier viel zu klein.“ Bezirke wie Weißensee seien außerdem zu weit an der Peripherie. „Das hat Symbolcharakter, wenn wir Künstler so an den Rand gedrängt werden.“

Auch andere Künstler, die sich gestern das Projekt anschauten, übten Kritik. Für eine Gruppe seien die Ateliers zwischen 60 und 100 Quadratmeter zu klein, für einen einzelnen sehr teuer, meint Martin Ruge von der „Garderobe 23“. Sieben Mark Kaltmiete pro Quadratmeter müssen in der Bizetstraße gezahlt werden. Drei bis sechs Mark warm wären für die meisten akzeptabel. Dann sind sie auch bereit, die Räume selbst zu renovieren.

Michael Fuchs von der Ateliergemeinschaft „Milchhof“ sieht das ähnlich, kann sich aber im Gegensatz zu vielen anderen wenigstens mit dem Standort Weißensee anfreunden. Kein Wunder: Er wohnt gegenüber. Dem Bezirk tue eine solche Künstlerkolonie gut, sagt er. Die Lichtverhältnisse in den Räumen findet er ideal, der Treppenaufgang sei für große Bilder jedoch zu eng. Er ist skeptisch, daß der Senat seine Ateliers los wird. Einfach zu teuer. Der Mietpreis wird nach Ansicht von Martin Runge eine Konsequenz haben: Bereits etablierte, ältere Künstler würden einziehen. Die können aber die hohen Mieten auf dem freien Markt noch am ehesten verkraften. Jutta Wagemann