Tränen und kein Champagner

Nach 33 Jahren gibt „PopRocky“ den Kampf gegen „Bravo“ auf. Doch es bröckelt auch beim Goliath der Jugendpresse  ■ Von Ania Mauruschat

Geiler, satter, praller“ – mit diesen vielversprechenden Komparativen wirbt PopRocky Young, ehemals nur PopRocky, noch in der Juli-Ausgabe ihrer Verlagsschwester Popcorn für sich: „jeden Donnerstag 64 Seiten für 1,80 Mark am Kiosk“.

The times they are a-changin': Gestern war der letzte Donnerstag, der letzte Erscheinungstag überhaupt in der 33jährigen Geschichte von PopRocky Young und ihren Vorläuferinnen. 1965 in der Schweiz als Pop gegründet und seit 1967 auf dem deutschen Markt, nahm das Jugendmagazin 1980 noch den Titel Rocky vom Bauer Verlag (Bravo) auf und nannte sich erst seit einer Neuausrichtung des Heftes im März zusätzlich Young. Trotz dieser wechselhaften Vergangenheit war PopRocky Young all die Jahre lang das einzige Jugendmagazin, das sich neben dem mächtigen Marktführer Bravo behaupten konnte.

Letzten Freitag verkündete nun jedoch Albrecht Hengstenberg, Zeitschriftenchef der Verlagsgruppe Jürg Marquard (Cosmopolitan, Mädchen u.a.), die sofortige Einstellung. Unter Tränen sollen noch am gleichen Tag die 16 festen Mitarbeiter ihre Tische geräumt haben. Anfang der Woche wurde dann beschlossen: Ein Heft darf noch erscheinen, dann geht PopRocky Young in Popcorn auf.

Was Hengstenberg eine „kurze Entscheidung“ nennt, war schon seit längerem abzusehen: Innerhalb eines Jahres ist die verkaufte Auflage von 303.418 auf 223.240 im ersten Quartal gestürzt. Und werben wollte auch niemand mehr so recht bei PopRocky Young. Im Vergleich zum Vorjahr wurden von Januar bis Juni 1998 18,4 Prozent weniger Anzeigen geschaltet. Genausoviel verlor zwar auch Bravo. Doch insgesamt hat der übermächtige Konkurrent (Auflage 1,2 Millionen Exemplare) dennoch regelmäßig zwischen vier und zehn Anzeigenseiten im Heft – PopRocky Young druckte zuletzt gerade noch ein bezahltes Inserat.

Die Anzeigenkunden der Jugendhefte werben eben heute viel lieber bei Viva oder anderen TV- Kanälen. Im Verlag gibt man dann auch den Werbekunden die Schuld. Die würden die Mediennutzung von Jugendlichen völlig falsch einschätzen. Zeitschriften und Popfernsehen könnten sich beim Hochjubeln von Stars ideal ergänzen, behaupten sie.

Was auch immer die Gründe für den Anzeigenrückgang sein mögen, für die Verlage sind sie tödlich, und so lag für Hengstenberg die Konsequenz nahe: „Wir waren mit PopRocky nicht so zufrieden, wie wir uns das wünschten. Und da wir mit zwei ähnlichen Zeitschriften auf dem Markt sind, haben wir uns für Popcorn entschieden.“ Groß sind die Unterschiede zwischen der wöchentlichen PopRocky Young und der monatlichen Popcorn wirklich nicht. Boygroups, Girlies, Leonardo DiCaprio in allen Lebenslagen, Pop- News, Foto-Love-Storys, Sexberatung, Poster und viele, viele bunte Fotos. Selbst feine Differenzen lassen sich schwer ausmachen, abgesehen von der leicht hybriden Anwandlung von Popcorn: Das nennt sich „das beste Pop-Magazin der Welt mit dem besten Band-Interview der Welt“. Um so fraglicher ist, wovon Hengstenberg spricht, wenn er sagt, man wolle die „guten Elemente aus PopRocky Young“ übernehmen. Von einer Fusion kann man indes wohl kaum sprechen – zumal auch nicht klar ist, wo bei Popcorn noch Mitarbeiter untergebracht werden sollen.

„Die Champagnerkorken haben bei uns nicht geknallt“, weist Claus Dieter Grabner, Verlagsleiter von Bauer, Spekulationen von sich, Bravo freue sich über das neue wöchentliche Monopol. „Ich habe immer gesagt: wenn es PopRocky nicht gäbe, dann müßte man es erfinden, denn PopRocky hat uns nie Leser weggenommen, obwohl es Jugendkompetenz hatte und 60 Pfennig preisgünstiger war.“ Im Gegenteil, dem Bravo- Mann war die Konkurrenz ganz lieb: „Es hat den Markt nach unten dicht gemacht und andere Verlage abgeschreckt.“

Die Leserschaft der beiden Magazine ist zwar weitgehend identisch: hauptsächlich 11- bis 16jährige, von denen 40 Prozent Jungs und 60 Prozent Mädchen sind. Daß PopRocky jedoch immer bei seinem Marktanteil von 20 Prozent gegenüber den 80 Prozent von Bravo blieb, ist für Grabner schnell erklärt: Die meisten PopRocky- Leser seien „heavy user“ gewesen: Also solche, denen die wöchentliche Dosis Stars und Sex und Lebenshilfe von Bravo nicht genügte, und die sie drum mit einem zweiten Heft versorgten.

Ohnehin hat der Bravo-Verlag die Krise auf dem Jugendmarkt und das Bröckeln der Auflage (nach der Wiedervereinigung erreichte das Blatt zeitweise noch fast 1,6 Millionen) ganz gut verkraftet: Durch gnadenlose Diversifizierung, wie man das nennt, bindet der Verlag insgesamt mehr junge Konsumenten als früher. Denn die Titel Bravo Girl, Bravo Sports, Bravo Screenfun fangen die Verluste mehr als auf.

Von Krise will man denn auch bei Bauer nichts wissen. Das schlechte Jahr 1997 verbucht der Verlagsleiter als ganz normales Marktphänomen: Es gebe eben „Star-Täler und Star-Berge“, führt er aus. Gerade hebe man wieder ab, habe „dank Leonardo und ,Titanic‘ wieder Wind unter den Flügeln“. Nicht nur leben somit die Stars von dem durch die Hefte entfachten Trubel, auch leben die Hefte davon, daß es überhaupt Stars gibt: „Wenn es keine neuen Trends und Stars gibt, dann ist Flaute“, sagt Grabner. Und fügt hinzu: „Bei unserer Auflage ist das aber überhaupt kein Thema. Bei PopRocky schon.“