Zehn katholische Kirchen in Nordirland abgebrannt

■ Nach Vermutungen der Polizei stecken radikale Portestanten hinter den Brandstiftungen. Politiker aller Parteien empört. Spannungen vor der Parade des Oranier-Ordens am Sonntag

Dublin (taz) – Zehn katholische Kirchen sind in der Nacht zu gestern in Nordirland abgefackelt worden. Drei Kirchen wurden völlig zerstört, die anderen sieben schwer beschädigt, darunter die 200 Jahre alte Jakobskirche in der Nähe des Belfaster Flughafens. Die Polizei vermutet, daß die Loyalist Volunteer Force (LVF), die einen Waffenstillstand bisher abgelehnt hat, hinter den Brandstiftungen steckt. Es sei ein Versuch, sagte ein Polizeisprecher, die Stimmung vor der umstrittenen Parade des Oranier-Ordens am Sonntag anzuheizen.

Eine von der britischen Regierung eingesetzte Kommission hatte es dem Orden Anfang der Woche verboten, durch die katholische Garvaghy Road in Portadown zu marschieren. Der anti- katholische Orden hat gestern ganzseitige Zeitungsanzeigen geschaltet, in denen er die Kommission als einen „diskreditierten Quango ohne Rücksicht auf Demokratie, Gerechtigkeit oder Menschenrechte“ bezeichnete. Man erkenne weder die Kommission, noch ihre Entscheidung an.

Kirchenführer sowie Politiker aller Parlamentsparteien äußerten sich empört über die Attacken auf die zehn Kirchen. Der britische Premierminister Tony Blair sprach von „barbarischen Taten des Wahnsinns“. Sein irischer Amtskollege Bertie Ahern warnte vor Racheakten. Unionistenchef David Trimble, der vorgestern in der ersten Sitzung des nordirischen Regionalparlaments mit 61 zu 27 Stimmen zum Premierminister gewählt worden war, bezeichnete die Brandstiftungen als „furchtbar feige“. Er besuchte gestern die Jakobskirche.

Am Nachmittag traf er zu Gesprächen mit dem katholischen Sozialdemokraten und stellvertretenden Premier Seamus Mallon zusammen, um doch noch eine Lösung für die Oranier-Parade zu finden. Am Abend sollte auch Tony Blair hinzukommen. Eine Absage der Reise nach Belfast wäre als sicheres Anzeichen dafür gewertet worden, daß ein Kompromiß zwischen dem Orden und den Anwohnern der Garvaghy Road nicht möglich sei. Auch der US-Präsident Bill Clinton mischte sich in die Debatte ein. Er rief aus China an, gratulierte Trimble und Mallon zu ihrer Wahl und ermahnte sie, „alles zu unternehmen, um die Lage zu entschärfen“.

Unterdessen rüstet Nordirland für ein heißes Wochenende. Glenn Roberts, der Vorsitzende einer überparteilichen Friedensgruppe, sagte, seine Organisation sei in den letzten Tagen mit Anrufen überschwemmt worden, in denen Menschen tätliche Angriffen, Drohungen und Einschüchterungsversuche im Vorfeld der Parade meldeten. Ralf Sotscheck