Stille Tage mit Berti
: Danke, Berti!

■ Reicht es? Ein geradezu boenischhafte Würdigung des Erfolgstrainers Vogts

Nein, nein, mein Freund: Deutschland ist nicht im Viertelfinale ausgeschieden. Das Team des Deutschen Fußball- Bundes gehört zu den acht besten Teams der Welt. Das ist die Nachricht. England gehört nicht dazu, Nigeria auch nicht. Wenn man es so sieht und einem das Ergebnis des Verbandes am Herz liegt, muß man sagen: Alle Achtung. Danke, Berti.

Wie die Deutschen bei dieser WM gearbeitet haben, ist unbestreitbar Ausdruck ihres Trainers: Engagiert. Das WM-Viertelfinale heute abend (21 Uhr, ARD) gegen Kroatien ist Berti Vogts' 100. Spiel als verantwortlicher DFB-Trainer. Bisher hat er 66 Siege und 22 Unentschieden geholt. Einen bessere Bilanz findet man nicht bei Schön oder Derwall, Beckenbauer oder Herberger. Von Nerz mal ganz zu schweigen. 66 Siege schaffen überhaupt die wenigsten, weil kaum einer mehr heutzutage acht Jahre im Amt ist.

Das sind ja eigentlich schon kanzlersche Dimensionen, und so ist es angemessen, daß „die Kanzlermaschine“ (DFB-Pressedirektor Niersbach) heute in Lyon einrollt, um dem Freund vom Tribünenplatz aus volle Unterstützung zukommen zu lassen. „Wir haben immer gewonnen, wenn er dabei war“, sagte Vogts gestern. Genau. Erinnert sei nur an das 2:3 im WM- Finale 1986 gegen Argentinien.

Was nun das leidige Thema betrifft, daß Fußball theoretisch ein Spiel ist, „der Deutsche“ (Vogts) dazu aber wie übrigens auch zum Tanzen und zu so Zeug ein gebrochenes Verhältnis hat: „Berti ist daran gewiß nicht schuld“, hat leider auch schon Peter Boenisch gestern kritisch herausgearbeitet.

Vogts hat keinen Spielmacher wie Zidane oder Ortega, keinen grandios talentierten 18jährigen wie Michael Owen. Er hat nicht einmal einen perfekten Abräumer wie Paul Ince. Vogts hat – außer Sammer (ist verletzt) und Effenberg (hat verletzt) die besten Leute dabei.

Auf einer Makroebene kann man also vermuten: Vogts hat mit dem Insistieren auf eine bestimmte Arbeitsweise das Potential einer Reisegruppe ausgeschöpft, deren WM-Bus man immerhin schon mal mit einer Heizdeckenfahrt verwechseln kann. Auf der Mikroebene könnte einer schon mal fragen, ob es gut tat, ausschließlich im „Interesse des deutschen Fußballs“ das klitzekleine innovative Element des Spielsystems (Olaf Thon) gegen einen Archaismus einzutauschen? Wäre nicht WM, hat Vogts gesagt, hätte er das natürlich nicht gemacht. Ähnliches wird gelten für die Vorzugsbehandlung des mehr oder weniger ehemaligen Nationalspielers Andreas Möller („Paß auf, Schatzi“), über dessen Ehefrau-Abreise-Affaire Vogts gestern nur noch sagte, er wundere sich, daß „Schatzilein, du darfst nicht traurig sein“ immer noch ein Thema sei.

Das war ja fast richtig ironisch. Es gibt aber andere WM- Streßhandlungen, Momente, in denen eine Vogts' Gedanken und sein grundsätzliches Kommunikationsproblem geradewegs in eine unglückliche Allianz mündeten. Bleiben von dieser WM wird auch: Seine spektakulär unangemessene, am Tag nach Lens sogar trotzig wiederholte Behauptung, er hätte gerne das Spiel verloren, wenn dadurch kein französischer Polizisten ins Koma geschlagen worden wäre. Seine wütende Reaktion auf den bloßen Gedanken an die Möglichkeit eines WM-Rückzuges, die auch noch klarmachte, daß er das Gegenteil dachte.

Was den Erfolg betrifft, wird er in den Büchern stehen. Dort kann man auch auf fachlicher Ebene die spielerischen Momente würdigen, die sich gegen die USA und Mexiko ja durchaus einfanden. Wird aber auch etwas eindringen in die Gemüter der Menschen, wie es DFB- Präsident Egidius Braun vor der WM angemahnt hat, um eine „Euphorie“ auszulösen? Hm.

Natürlich ist der Deutsche kein Brasilianer. Muß er aber darauf immer herumreiten? Im übrigen tanzt auch nicht jeder Deutsche so schlecht wie Vogts. Vielleicht hat der Deutsche ja mal genug vom Verneinen. Dann könnte der Tag kommen, an dem der Deutsche plötzlich nicht nur sagt: Danke Berti. Sondern auch: Es reicht. Nein, nein: Das war jetzt nur so eine Idee. Will ja keiner. Wer sollte das überhaupt sonst machen? Obwohl: Aus der Kanzlermaschine steigt demnächst ja auch ein anderer aus. Peter Unfried