■ Soundcheck: Branford Marsalis
Gehört: Branford Marsalis. Der Mann hat ja schon eine Menge Dinge angestellt, die linientreue Jazzer ganz böse machen: mit Pop-Fuzzis rumdaddeln, in Talkshows den Pausenfüller spielen, halbgare Crossover-Projekte anleiern. Aber so regelmäßig Branford Marsalis die Puristen vor den Betonkopf stößt, so regelmäßig zeigt er ihnen auch, was eine Harke ist. Etwa am Freitag in der Fabrik. Leger wechselt der Saxophonist da zwischen Tenor und Sopran, leger wechselt er auch zwischen den Idiomen. Bop hat den gleichen Stellenwert wie befriedete Formen des Free-Jazz. Befriedet schon deshalb, weil Marsalis sich keine Duelle mit seinen Musikern liefert. Die Kompetenzen sind klar verteilt, da darf sich der Boß schon mal sorglos hinter der Bühne nach dem Stand des aktuellen WM-Spiels erkundigen. So kann es auch ohne ihn zur einen oder anderen Sensation kommen, immerhin ist Kenny Kirkland am Piano dabei, und Weggefährte Jeff „Tain“ Watts am Schlagzeug.
Während Marsalis mild lächelt wie jemand, dem niemand etwas anhaben kann, fährt der Drummer ein riesiges mimisches Repertoire auf. Der verzieht sein Gesicht zur Death-Metal-Fratze, um danach lustig mit den Augen zu kullern. Die schönsten Momente sind jene, bei denen Marsalis und Watts zu zweit an der Grenze zur tonalen Auflösung ackern. Da greifen sie nach den Sternen – ohne Bodenhaftung zu verlieren. Sehr reell, dieser Jazz.
Christian Buß
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