Love Parade zieht SFB über den Tisch

■ Ein vermeintlich exklusiver Vertrag mit dem SFB sichert der Love Parade GmbH die kommerzielle Verwertung der gebührenfinanzierten SFB-Fernsehaufnahmen. Juristen kritisieren Vertrag als "leichtfertig un

Die Gebührenzahler des SFB zahlen, die private Love Parade GmbH darf verdienen. Auf diesen Nenner läßt sich ein umstrittener Vertrag bringen, den die Love Parade mit dem Sender Freies Berlin abgeschlossen hat. Sechs Stunden will der Sender beim Technospektakel am nächsten Wochenende live senden, mindestens 800.000 Mark läßt sich der gebührenfinanzierte Sender dies kosten. Doch um die Verpflichtungen, die der SFB in einem eigens abgeschlossenen Exklusivvertrag mit der Love Parade eingeht, gibt es jetzt Krach.

Denn ganz so exklusiv hat der SFB die Love Parade gar nicht: Gleichzeitig haben die Veranstalter ähnliche Verträge mit den SFB- Konkurrenten RTL2 und Viva abgeschlossen. Und den Privatsendern muß der SFB nach dem Vertrag, der der taz vorliegt, seine teuren Bilder auch noch kostenlos überlassen. Ebenso der Love Parade GmbH, die die Sendung international und auf Video vermarkten darf.

Doch weil der SFB unbedingt in der 1. Reihe dabeisein will, unterschrieb der amtierende Fernsehdirektor Ulrich Anschütz das Papier unverändert, das ihm am 3. April Andreas Scheuermann von der Love Parade GmbH aus Köln zufaxte und das für die nächsten drei Jahre gelten soll. Nicht einmal auf seinen eigenen Justitiar Magnus Schiebe hörte der derzeitige SFB- TV-Chef. Dessen Bedenken wurden weitgehend ignoriert, wie Schiebe am vergangenen Freitag vor dem Programmausschuß ausführte und der taz auf Nachfrage bestätigte. Das Geschäft, sagt Anschütz, sichere dem SFB die besten Kamerastandorte und die Kooperation der Veranstalter bei der Übertragung. Juristen hingegen nennen die Zugeständnisse des Senders gegenüber der Love Parade „hanebüchen“ und finden den Deal „leichtfertig und unseriös“. Rundfunkräte des SFB bezeichneten die Abmachungen im Programmausschuß als „verquast“ – „um es freundlich auszudrücken.“ Der SFB habe sich von der Love Parade über den Tisch ziehen lassen, so die Kritik. Die Gegenleistung der Love Parade für die großzügigen Gaben des SFB ist denn auch eher mager: Der SFB darf das Logo der Love Parade benutzen und bekommmt nicht näher ausgeführte „Präsentationsmöglichkeiten“. Das ist alles. Einen wirklichen Exklusivvertrag dürften die Veranstalter auch gar nicht vergeben. Schließlich akzeptierte der Innensenator die Anmeldung des Spektakels als „politische Demonstration“ und bei einer öffentlichen Versammlung darf jeder filmen, wo und wann er will – auch ohne Vertrag. Theoretisch. Praktisch übe die Love Parade GmbH am Kundgebungsplatz am Großen Stern ein „de-facto-Hausrecht“ aus, sagte SFB-Justitiar Schiebe. Ohne Abmachung hätte der Sender mit seinen Kameras „in der dritten Reihe“ gestanden, behauptet Anschütz.

In dem Vertrag verpflichtete sich der Sender jedoch nicht nur, das Programm, das er mit der satten Dreiviertelmillion der Gebührenzahler angefertigt hat, den Veranstaltern zur grenzenlosen internationalen Vermarktung zu überlasssen. Noch dazu muß der SFB seine teuren Bilder kostenlos der Love Parade GmbH zur Verfügung stellen, damit diese sie an die SFB-Konkurrenten und Love Parade-Partner RTL2 und Viva verdealen kann („kein Logo, keine Schrifteinblendung, moderationsfrei“). Zwar darf der Sender im Gegenzug auch Aufnahmen von RTL2 und Viva mitbenutzen – doch da beide Privatstationen weitaus weniger Kameras und Personal einsetzen, dürfte das Geschäft einseitig bleiben. Den enormen Aufwand, nämlich „ein Produktionsvolumen von ca. 800.000 DM“ muß der SFB der Love Parade auch noch garantieren. Das heißt: Nicht mehr der Sender entscheidet frei über das Maß seiner Berichterstattung, sondern der Veranstalter. In Vertragsziffer 10 läßt sich der Sender dann sogar unverhohlen seine Berichterstattung diktieren: Der „SFB stellt sicher, daß der Tonträger der Love Parade (...) im Rahmen der Berichterstattung des SFB und ggf. auch der ARD in angemessenen Umfang präsentiert wird“. Außerdem soll der SFB Sponsorengelder von der ARD heranschaffen, die mit ihrer Soap „Marienhof“ im letzten Jahr noch dabei war. Falls dies nicht gelingt, behält sich die Love Parade eine Kündigung des Vertrages vor. In dürren Worten rechtfertigten Anschütz und SFB-Intendant Horst Schättle vor dem Programmausschuß den Vertrag. Gegenüber der taz wollte der amtierende TV-Chef überhaupt keine Stellung nehmen. Auch Schättle äußerte sich nicht, sondern ließ Pressesprecher Thomas Strätling knapp erklären, das alles seien „günstige Konditionen“. Der Deal sichere dem SFB die Übertragungsrechte, falls das Spektakel 1999 nach Paris ziehen sollte. Doch ist dies eher unwahrscheinlich, und der Vertrags diesbezüglich nicht eindeutig. Lutz Meier