Stille Tage ohne Berti
: Ist Matthäus schuld?

■ Der Ex-Neu-Alt-Libero hatte das Aus vor der WM prophezeit. War er unmotiviert?

Lothar Matthäus (37), Fußballprofi, ist ein wirklich großer Experte. Bereits im Dezember letzten Jahres hat der einstige Weltklassefußballer folgende Halbfinalpaarungen der WM getippt: Brasilien – Holland und Frankreich – Deutschland. Sensationell. Daß Matthäus bei allem Sachverstand auf einen Halbfinalisten DFB tippte, versteht sich von selbst. Nachdenklich stimmt allerdings, daß er dem deutschen Team ein Ausscheiden gegen Frankreich prophezeit hat („3:2“). Hochachtung vor diesem kritischen Skeptizismus, der sich als berechtigt erwiesen hat? Natürlich. Es ist allerdings auch so, daß Berti Vogts „einen Traum“ hatte und sein Kapitän Klinsmann einer Zusammenarbeit mit Matthäus zugestimmt hatte unter der Annahme: „Okay, wir können am gemeinsamen Ziel arbeiten.“ Traum von Vogts und Ziel von Klinsmann waren aber ausdrücklich nicht ein 2:3 gegen Frankreich – sondern „unbedingt“ (Klinsmann) der WM-Titel. In diesem Zusammenhang muß man natürlich die Umfrage starten, ob ein deutscher Rekordnationalspieler, der mit der Prophezeihung eines deutschen Ausscheidens in die WM geht, tatsächlich mit der richtigen Motivation bei der Sache war („War Matthäus tatsächlich mit der richtigen Motivation bei der Sache?“ taz-Fax: 030/251 60 62). Es ist allerdings so, daß Matthäus im Dezember bei aller Weitsicht nicht ahnen konnte, daß er selbst mitspielen würde. Man muß sich bei der erwiesenen Präzision seiner Tips daher auch fragen: Wußte der selbstkritische Rekordnationalspieler, daß das Team ohne ihn immerhin ins Halbfinale kommen würde – also eine Runde weiter, als es das mit ihm schaffen konnte? Hatte er im geheimen seinen Tip revidiert („Deutschland – Kroatien 0:3“)? Und spielte dennoch mit? Das alles sind Fragen, die noch dringender Antworten bedürfen. Geklärt ist dagegen der Ausgang des heutigen WM- Halbfinales: Brasilien schlägt Holland „2:1“ (Matthäus).

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Wo ist eigentlich Berti? Manche behaupten ja, noch in oder um Saint-Paul-de-Vence, wo er zu einer Welt am Sonntag-Kolumnistin ins Zimmer gezogen sein soll. Während in der ganzen Welt Umfragen gestartet werden („Ist Berti noch der Richtige?“), grübelt Vogts längst weiter daran, wie er mit Hilfe von Quotierungen dem deutschen Jungprofi einen Stammarbeitsplatz retten kann trotz eines sich vereinigenden Europas. Und damit Leo Kirch seine in die WM 2002 investierte Milliarden. Unterstützung kommt von allen Seiten, unter anderem natürlich von Franz Beckenbauer, der sich eines scheinbar Jahrhunderte zurückliegenden taz-Hinweises angeschlossen hat („Jetzt muß Effenberg ran“). Soll der Kleinenbroicher tatsächlich klein beigeben? Dafür spricht: Anfang September muß man nach Malta. Das ist kein leichter Gegner, denn die „gibt es nicht mehr“ (Vogts). Jedenfalls nicht für die Deutschen.

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Bild, Samstag: „Jungs, wir sind bei euch!“

Bild, gestern: „Hört bloß auf zu jammern!“

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Vielleicht ist es besser, gar kein Wort mehr zu verlieren über Annina (22). Diese junge Frau hatte ein Gelübde getan. Die Bremerin oder auch Bremerhavenerin hatte vor der WM geschworen, nach jedem deutschen WM-Sieg ein Kleidungsstück abzulegen. Ziel der Aktion: Die deutschen Fußballer („Seht her, Jungs“) zum Gewinn des WM-Titel anzuregen. Annina (22) vollzog ihr Gelübde an einem Ort, an dem sie mit Ausnahme von Klinsmann wohl alle Nationalspieler wahrnehmen mußten. Sie tat, was sie konnte und mehr. Nach dem Aus gegen Kroatien war aber gestern auch Annina (22) weg – ohne auch nur ihre Brüste entblößt zu haben. Diese Pleite symbolisiert weniger den Schiffbruch des DFB-Teams, als jenen, den die Bild-Zeitung während der WM erlitten hat. Hätte Vogts nicht im Fall Matthäus zum „Wohl des deutschen Fußballs“ die Nerven verloren – der einstige Machtfaktor wäre der mit Abstand größte WM-Verlierer gewesen. So ist man immerhin ein großer. pu