Nachspiel um Castor-Einsatz intern beendet

■ Innenministerien aus NRW und Berlin verabredeten Stillschweigen über Castor-Einsatz. Keine Vorwürfe mehr gegen Berlin, weil „öffentliche Diskussion“ der Zusammenarbeit schadet

Bochum (taz) – Die Polizei- Schlacht nach der Castor-Schlacht war schnell beendet. Nach dem harten Einsatz der bundesweit berüchtigten Berliner Polizisten, die bei den Gegnern des Transports abgebrannter Brennelemente ins Ahauser Zwischenlager kräftig hingelangt hatten, waren die nordrhein-westfälischen Kollegen mit Innenminister Franz Kniola (SPD) an der Spitze zunächst gegen die Berliner auf die Barrikaden gegangen: Unkollegial und aggressiv hätten die Berliner sich verhalten. Der teilweise öffentlich ausgetragene Streit um Polizeitaktik und Rechtsstaat endete jedoch abrupt. Ein jetzt aufgetauchtes Papier verrät warum: Bei einem Treffen hochrangiger Polizeiführer aus Berlin und NRW Mitte Mai wurden die Vorwürfe beerdigt – weil „eine Fortführung der öffentlichen Diskussion“ der vertrauensvollen Zusammenarbeit nicht dienlich sei.

Der Berliner Senatsrat Voß und Ministerialdirigent Möller aus dem Innenministerium in NRW kamen bereits am 19. Mai auf der Polizeiakademie in Hiltrup (Münster) überein, „die Erörterung zu beenden“. „Fragen und Vorwürfe“ wegen des Polizeieinsatzes beim Castor-Transport sollten besser, so heißt es in dem der taz vorliegenden Papier, „in der polizeiinternen Nachbereitung beider Länder“ zu den erforderlichen Konsequenzen führen. Welche das sein könnten, bleibt in dem Papier offen.

Für den Grünen-Fraktionssprecher im Düsseldorfer Landtag ist das Dokument „ein Schlag ins Gesicht der Bürgerinnen und Bürger, die ein Anrecht auf Aufklärung von Vorwürfen gegenüber der Polizei haben“. Etwa jener Bürgerinitiativen, die zwölf exemplarische Klagen gegen die Berliner Polizisten einreichten. Am 23. März rollte der bislang letzte Castor- Transport ins münsterländische Ahaus. 20.000 Polizisten aus dem gesamten Bundesgebiet sicherten den Transport gegen mehr als 7.000 Demonstranten. Die Berliner taten das besonders rüde. „Ich stand zehn Meter entfernt, als Berliner Polizisten Demonstranten mit Knüppel und CS-Gas traktierten“, berichtete der grüne Landtagsabgeordnete Rüdiger Sagel.

Eine Dinslakener Lokalreporterin mußte mehrere Tage stationär behandelt werden, nachdem sie von Berliner Polizisten zu Boden gestoßen und in den Rücken getreten worden sei. Nach der Schlacht rückten die schlagkräftigen Polizisten aus der Hauptstadt wieder in die Unterkunft – musikalisch untermalt vom Radetzkymarsch. Da wurde es den Kollegen aus NRW zu bunt. Sie zogen über die Berliner Rambos her.

Den sich anbahnenden Knatsch legten die Dienstherren auf unspektakuläre Art und Weise bei. Die Arbeitsgruppe in Hiltrup räumte zwar „einzelne Vorwürfe gegen die Berliner Polizei ein“. Dazu könnte eine Aktion zählen, die Ahauser Augenzeugen über das Berliner Polizeieinsatzfahrzeug 7904 berichten. Aus dem in die Menge rasenden Mannschaftswagen seien Polizisten gestürmt, um einen Demonstranten willkürlich zu verhaften, nachdem sie ihn mit Tritten und Schlägen traktiert hatten. Aber insgesamt, so stellen die Minsterialdirigenten in dem Papier fest, ließen sich weitere „Vorwürfe von außerhalb der Polizei allenfalls mit unverhältnismäßigem Aufwand überprüfen und ggfs. aufklären“. Und untereinander will man sich in der Polizei schon gar nicht weh tun: „Eine zweifelsfreie Aufklärung der widerstreitenden polizeilichen Aussagen“ sei nicht zu erreichen – „wie die Anhörung beteiligter Beamten zu einzelnen Punkten gezeigt hat“.

So wird wohl auch der Vorwurf einer englischen Filmjournalistin nie geklärt werden. Auf Video hat sie den Einsatz eines Berliner Räumpanzers gegen eine Sitzblockade unmittelbar vor dem Zwischenlager dokumentiert. Der Panzer überrollt den Fuß eines Demonstranten. Die Polizei erklärte, der Mann habe sich vor den Panzer geworfen. Auf dem Video sieht das ganz anders aus. David Schraven