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Kroatische Fußballfans erschießen junge Muslimin

■ 25jährige Frau nach dem WM-Sieg der kroatischen Mannschaft von „Freudenschüssen“ in Mostar getroffen, ein Mann schwer verletzt. Westpolitiker beschuldigen Behörden

Sarajevo (taz) – Die „Freude“ kroatischer Fußballfans nach dem Sieg ihrer Mannschaft gegen Deutschland hat ein Todesopfer gefordert. Am Abend des Fußballspiels Kroatien gegen Deutschland wurde die 25jährige Emina Catić in Ost-Mostar von einer Kugel getroffen. Die junge Frau hatte gegen 21 Uhr mit ihrem Verlobten ein Café besucht, denn die Lage der in einen kroatischen und einen bosniakisch-muslimischen Teil geteilten Stadt Mostar schien ruhig zu sein.

Doch schon nach dem ersten Tor der Kroaten waren Freudenschüsse im kroatischen West-Mostar zu hören. Als das zweite Tor fiel, wurde nicht mehr nur in die Luft geschossen, sondern aus Dutzenden von Maschinenpistolen auch auf die andere Seite der Neretva, in den Ostteil der Stadt. Eine der Kugeln traf Emina Catić, die aus der von Serben besetzten Stadt Nevesinje stammte. Sie starb im Krankenhaus. Bis zu ihrem Tod war es ihr nicht gelungen, die Gräber ihrer im Krieg umgekommenen Eltern ausfindig zu machen.

In Mostar wurde auch der 67jährige Husein Dzelilović schwer verwundet, der in einem anderen Café gesessen hatte. Im 30 Kilometer entfernten Stolac gingen kroatische Hooligans gegen muslimische Rückkehrer vor und zerstörten Häuser und Fahrzeuge. Die internationalen SFOR-Friedenstruppen hatten sich auf mögliche Vorfälle im Zusammenhang mit den Fußballspielen nicht vorbereitet.

Muslimische Kommunalpolitiker beklagten sich gestern in einem Schreiben an den internationalen Friedensvermittler Carlos Westendorp, daß neben der örtlichen Polizei sowohl die internationalen Friedenstruppen SFOR als auch die UN-Polizei dem „Treiben der kroatischen Hooligans tatenlos zugesehen“ hätten. „Sie haben nicht einmal versucht, die Hooligans aufzuhalten“, hieß es.

Westliche Friedensvermittler kritisierten gestern die von Kroaten dominierten Behörden im Süden Bosnien-Herzegowinas und lasteten ihnen die Schuld an den blutigen Ausschreitungen an. „Verantwortlich dafür sind die (kroatischstämmigen) Leiter der Innenbehörde des Kantons“, zitierte die bosnische Agentur Onasa den britischen Diplomaten Martin Garrod, der Westendorp in Mostar vertritt. Erich Rathfelder

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