: Ernsthaft locker arbeiten in Eigenverantwortung
■ Im Projekt „Bistro Blonskij“ arbeiten Jugendliche für ihren Hauptschulabschluß
Thorsten Gross schaut optimistisch in die Zukunft: Nach den Ferien beginnt er eine Fleischerlehre. „Früher wollte ich zwar Koch werden“, erzählt der lebhafte 18jährige, „doch jetzt bin ich froh, daß ich überhaupt eine Lehrstelle bekommen habe.“ Die Voraussetzung dafür hat er seit gestern in der Tasche: Thorsten Gross gehört zu den ersten AbsolventInnen des Projekts Bistro Blonskij in St. Georg, bei dem jugendliche SchulabbrecherInnen arbeitend den Hauptschulabschluß erwerben können.
Vor einem Jahr wurde das Projekt im Haus der Jugend St. Georg mit 16 SchülerInnen zwischen 15 und 19 Jahren eröffnet. Ermöglicht hatten dies das Jugenddezernat des Bezirks Mitte, die staatlichen Gewerbeschulen und der Gewerbelehrer Sven-Olaf Miehe, der die „Bistro-Schule“ leitet. „Unser wesentliches Anliegen ist es, die Jugendlichen Eigenverantwortung und Selbständigkeit üben zu lassen,“ erklärt der Pädagoge. Erst in zweiter Linie gehe es um die Vermittlung von Fachkenntnissen.
Der Unterricht beginnt im Blonskij für die Morgenschicht um Viertel nach neun mit einem „Morgenritual“: Während des gemeinsamen Frühstücks fragt Miehe die SchülerInnen zunächst nach Schwierigkeiten und Wünschen. „Wenn einer sagt, es geht ihm schlecht, berücksichtigt das die Gruppe“, betont Miehe. Dann wird der Arbeitsplan für den Tag besprochen und ein Termin für die nächste Besprechung gemacht – „wie im richtigen Arbeitsleben“. Gegen 13 Uhr übernimmt die Nachmittagsschicht den Betrieb. Lohn erhalten die Jugendlichen nicht.
Alle SchülerInnen können wählen, ob sie in der Küche, im Service oder im Büro, oder in allen drei Bereichen abwechselnd arbeiten wollen. Hauptaufgabe des Bistros ist es, Speisen und Getränke für das Haus der Jugend und die dortigen Veranstaltungen bereitzustellen. Aber auch Catering und ein Büffet-Service werden angeboten. „Im Schutz der Schule bietet Blonskij Arbeit mit Ernstcharakter“, erläutert Miehe. „Hier ist es viel lockerer als an anderen Schulen“, freut sich Fahmi Fatnassi trotzdem. Der 16jährige will nun noch seinen Realschulabschluß machen. „Jetzt traue ich mir auch zu, das durchzuhalten.“
Jeden Freitag bereiten sich die Blonskij-SchülerInnen in den Gewerbeschulen auf den Hauptschulabschluß vor. „Aber es geht nicht primär nur um den Abschluß“, betont Miehe, „kleine Erfolge, wie beispielsweise Pünktlichkeit, sind unser Erziehungsziel.“ Dabei spiele das soziale Lernen innerhalb der Gruppe eine entscheidende Rolle. Bei Schwierigkeiten bietet Lehrer Miehe die Möglichkeit zur gestaltpädagogischen Beratung, sowohl in Einzelgesprächen als auch in der Morgenrunde. „Ich habe mich hier immer wohl gefühlt“, resümiert Thorsten Gross. Er will den Kontakt zu seinen ehemaligen MitschülerInnen auf jeden Fall halten, auch, wenn die Schulzeit nun vorüber ist. Gestern war erstmal Fete angesagt: Ganz offiziell feierten die ersten Blonskij-SchülerInnen den Abschluß in „ihrem“ Bistro.
Susanne Hericks
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