Stammesland in Bauernhand

Um die Landwirtschaft zu modernisieren und Bauern zu stärken, reformiert Ugandas Regierung das Bodenrecht. Das bringt Streit mit traditionellen Eliten  ■ Aus Kampala Joachim Buwembo

Es ist recht ungewöhnlich für ein afrikanisches Parlament, dem Staatspräsidenten in die Parade zu fahren. Andererseits: Die Debatte um das neue Landgesetz, die Uganda seit Monaten bewegt, verläuft alles andere als gewöhnlich. Die Landfrage erweist sich als das heikelste Problem, mit dem sich Präsident Yoweri Museveni in seiner 12jährigen Amtszeit bisher konfrontiert sah – wie Museveni selber zugab, als er endlich am 2. Juli das umstrittene Gesetz unterzeichnete.

Kern des Landgesetzes ist der Wunsch der Regierung, „feudale“ Besitzverhältnisse auf dem Land durch „kapitalistische“ zu ersetzen. Am konkretesten betroffen sind etwa 9.000 Quadratkilometer Land im traditionellen Königreich Buganda, dem vom Baganda-Volk besiedelten Herzstück Ugandas um die Hauptstadt Kampala. Auf diese Landflächen sind keine Besitzurkunden vorhanden, da es sich um Gemeinschaftsbesitz handelt.

Das Gesetz räumt nun den tatsächlichen Nutzern dieses Landes erstmals verbriefte Rechte ein. Betroffen sind „squatters“ – Bauern, die sich auf dem Land abwesender Landherren angesiedelt haben und dieses seit mindestens zwölf Jahren bewirtschaften. Für solche Landstücke sollen zwei Eigentumszertifikate ausgestellt werden, eines für den nominellen Besitzer und eines für den tatsächlichen Nutzer. Die traditionellen Eigentümer lehnen dies ab. Das Buganda-Königtum ist auch dagegen, daß Eigentumstitel an Squatter auf Gemeinschaftsland vergeben werden.

Anfang Mai erläuterte Präsident Museveni seine Sicht der Dinge auf sehr unglückliche Art, indem er sagte, daß nach dem jetzigen Stand niemand in Buganda Landeigentümer sei, da die Besitzer nicht die Squatter vertreiben könnten und die Squatter keine Landtitel hätten.

Musevenis konservative Gegner verkürzten dies auf die Formel „In Buganda hat niemand Landrechte“ und sorgten für einen Sturm der Entrüstung. Das Parlament forderte den Präsidenten auf, zur Landfrage zu schweigen, bis die parlamentarische Debatte beendet sei. Zwei konservative Abgeordnete, Ken Lukyamazi und Nsubuga Nsambu, riefen auf einer Versammlung in Kampala die Baganda auf, sich notfalls mit Waffengewalt dem Landgesetz entgegenzusetzen. Sie behaupteten, das Gesetz solle die Baganda ihres Landes berauben, indem es das strittige Gemeinschaftsland an „Ausländer verteile – Angehörige anderer ugandischer Ethnien und ruandische Verbündete Musevenis.

Seinen jährlichen „Bericht zur Lage der Nation“ vor dem Parlament mußte Museveni daraufhin fast ausschließlich der Landfrage widmen. Er rechnete umfassend mit der britischen Kolonialzeit ab, die wirklich traditionelle Besitzverhältnisse zugunsten einer nur wenige tausend Köpfe zählenden Baganda-Oligarchie zerstört habe.

Die Baganda sind die größte Ethnie Ugandas und stellen rund ein Viertel der 20 Millionen Einwohner. Aber angesichts von Zuwanderungen und kolonialer Grenzverschiebungen sind nur wenig mehr als die Hälfte der Bewohner des Königreichs Buganda noch Angehörige des Baganda-Volkes. Die Baganda waren bisher ein sicherer Rückhalt Musevenis, sowohl in seinem Guerillakrieg 1981–1986 wie auch nach seiner Machtergreifung. Die enge Beziehung ist Folge des gemeinsamen Hasses auf den zweimal gestürzten ugandischen Präsidenten Milton Obote, der das Buganda-Königreich 1966 gewaltsam abschaffte. In Obotes zweiter Amtszeit 1980–1986 ermordeten Obotes Truppen im Bürgerkriegsgebiet des sogenannten Luwero-Dreieck nördlich von Kampala Hunderttausende Baganda-Bauern. Museveni ließ 1993 das alte Königreich Buganda wiederauferstehen.

Nun gefährdet die Landreform diese traditionelle Allianz. Das Ende Juni endgültig verabschiedete Gesetz enthält zwar einen von Baganda-Ministern in der Regierung eingebrachten Kompromiß, der als Verwalter des umstrittenen Gemeinschaftslands anstelle einer Regierungsbehörde Buganda-Distrikträte im Namen des Königs einsetzt. Aber warum hat sich Museveni überhaupt in diese schwierige Lage gebracht?

Die Regierung sagt, daß das traditionelle System von Landeigentum weder eine großräumige Landwirtschaft ermögliche, noch den Bauern Zugang zu Bankkrediten eröffne. Schon 1995 hatte die Verfassunggebende Versammlung dem 1996 zu wählenden Parlament den Auftrag zugeschoben, innerhalb von zwei Jahren ein Landgesetz zu verabschieden. Das läßt böse Erinnerungen erwachen. Bei Ugandas Unabhängigkeit 1962 gab eine Verfassunggebende Versammlung der Regierung ebenfalls zwei Jahre Zeit zur Lösung eines Landkonflikts zwischen den Königreichen Buganda und Bunyoro. Als die Zeit ablief, eskalierte der Streit; 1966 mußte der Buganda- König fliehen und sein Königreich wurde abgeschafft.

Die unsichere Lage, die durch die in letzter Minute getroffenen Gesetzesänderungen noch verstärkt wird, sorgt nun in manchen Distrikten Bugandas für überstürzte Landverkäufe und in anderen zu Drohungen, Ortsfremde zu vertreiben. Teile der Baganda- Elite porträtieren Museveni als Erzfeind der Baganda. Dies ist bedeutsam im Hinblick darauf, daß in zwei Jahren in Uganda ein Referendum über die Zukunft des politischen Systems abgehalten werden soll. Die Frage wird sein: Bleibt die gegenwärtige „Demokratie ohne Parteien“ unter Kontrolle der herrschenden „Nationalen Widerstandsbewegung“, oder wird das Mehrparteiensystem eingeführt? Letztlich ist dies eine Abstimmung für oder wider den Mann, der Ugandas Schicksal seit 1986 bestimmt: Yoweri Museveni.

Da könnte der Landfrage eine entscheidende Bedeutung zukommen – wenn Museveni sich dank der vielen Bauern durchsetzt, deren Anspruch auf das von ihnen kultivierte Land er mit dem Landgesetz untermauert hat.