Atommüllcontainer aufgeschlitzt

■ Unfall beim Umladen von radioaktivem Müll in Magdeburg. Glück im Unglück: Betonhülle blieb unversehrt. Auch SPD-Umweltministerin in Sachsen-Anhalt fordert nun Stopp aller Atomtransporte. Kernkraftgegner kündigen Demo an

Hannover (taz) – Ein Container mit schwach- oder mittelaktivem Atommüll ist gestern bei einem Unfall in Magdeburg Rothensee auf einer Länge von sechzig Zentimetern aufgerissen worden. Nach Angaben der Polizei und des Bundesumweltministeriums blieb aber der Beton, in den das radioaktive Material innerhalb des Containers eingeschlossen ist, unversehrt. Auch Messungen an der Unfallstelle hätten keine Hinweise, auf eine Freisetzung radioaktiven Materials ergeben.

Zu dem Unfall war es gekommen, als vier Container aus dem stillgelegten AKW Rheinsberg, die für das Endlager in Morsleben bestimmt waren, von einem Bahnwaggon auf einen Lastwagen umgeladen werden sollten. Der Ausleger eines Krans schlug gegen einen der Container, als ein Fuß des Krans in den Boden sackte. Dabei schlitzte er eine Schweißnaht an der Stirnseite des Atommüllbehälters auf. Der kaputte Behälter soll in das Zwischenlager in Greifswald zurückgeschickt werden.

Nach dem Unfall haben die Grünen, Greenpeace und auch die sachsen-anhaltinische Umweltministerin Ingrid Häußler (SPD) verlangt, nun endlich alle Atomtransporte zu stoppen, auch wenn es um schwach- und mittelaktiven Atommüll gehe. Die Panne beim Umladen habe die Gefahrenquellen deutlich werden lassen, sagte Häußler. Auch der Greenpeace- Atomexperte Helmut Hirsch wertete den Unfall als ernsthafte Warnung und Beleg für die Risiken der Transporte. Im Magdeburg-Rothensee habe man Glück im Unglück gehabt. „Die Behälter für schwach- und mittelaktiven Atommüll sind keineswegs sehr stabil und können bei einem solchen Vorfall leicht ganz platzen“, sagte Hirsch. Wenn der Atommüll als schwach- oder mittelaktiv bezeichnet werde, bedeute das nicht, daß er harmlos sei. „Solche Behälter können auch hochtoxische Alpha- Strahler enthalten, deren Freisetzung sehr gefährlich ist“, sagte der Greenpeace Atomexperte.

Auch die atompolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Ursula Schönberger, verlangte nach dem Unfall gestern „einen endlich rechtsverbindlichen Stopp der Transporte aller Arten von Atommüll“. Die „zentrale Rolle des Bundesamtes für Strahlenschutz“ müsse „neu auf den Prüfstand“. Das Bundesamt sei Betreiber des Endlager Morsleben, in das gegenwärtig schwach- und mittelaktiver Müll aus dem ganzen Bundesgebiet geliefert werde. Und es habe das Recht zur Eigenüberwachung. Für die immer wieder kontaminierten Brennelementtransporte sei es Genehmigungbehörde.

Die niedersächsischen Grünen wollen am Wochenende mit Aktionen gegen Atommülltransporte und für einen schnellen Ausstieg aus der Atomenergie demonstrieren. Von Bahnhöfen in der Nähe der AKWs Stade, Esenshamm, Lingen, Grohnde und Krümmel sollen am Freitag nachmittag AKW-Gegnerinnen symbolisch Atommüll mit dem Zug nach Hannover transportieren. Außerdem ist eine Kundgebung am Güterbahnhof in Seelze bei Hannover vorgesehen, über den schon über 200 Brennelementtransporte gefahren sind. Am Samstag wollen AKW-Gegner von Hannover aus zum Bundesamt für Strahlenschutz in Salzgitter und nach Dannenberg zur Castor-Umladestation reisen. Jürgen Voges