Feuer für den Hintern des Anlageberaters

■ Bratzende Tubas, scheppernde Kesselpauken: Die Roma-Kapelle Fanfare Ciocarlia

Blasmusik? Na klar, Ernst Mosch, sagen die einen und kippen deutsches Bier in sich hinein. Reaktionärer Mist, rufen die anderen und haben dabei allein Musikantenstadl-Aficionados vor Augen. Schade. Denn so entgeht ihnen das Wildeste und Schnellste, was Blech- und Holzblasinstrumenten auf diesem Planten bislang entlockt wurde: die Musik Fanfare Ciocarlias aus Zece Prajini, einem 400-Seelen-Nest im Osten Rumäniens.

„Manchmal, wenn ich Leuten erzähle, wo ich wohne, denken sie, der kommt ja vom Ende der Welt“, sagt Costica „Cimai“ Trifan, einer der Trompeter der elfköpfigen Roma-Kapelle. „Aber hier, am Ende der Welt, ist der richtige Ort, Musik zu machen.“ Der Beweis: eine kleine silberne Scheibe mit dem Titel Radio Pascani. Darauf wimmelt es von vertrackten Beats, die vier bratzende Tubas und eine scheppernde Kesselpauke vorgeben. Trompeten und Hörner hupen unentwegt dazwischen, Klarinetten quäken brillante Soli. Und das alles in einem Tempo, daß selbst austrainierte Zeitgenossen sich nach einem Herzschrittmacher sehnen.

Es sei denn, sie leben in dieser Gegend nahe der moldawischen Grenze, wo das Herz ohnehin schon im Sieben-, Neun- oder Elf-Achtel-Takt schlägt. Denn seit Beginn des 19. Jahrhunderts, als türkische Militärorchester die Tzigani-Blaskapellen der Balkanländer entscheidend beeinflußten, hat es dort kaum eine Feierlichkeit ohne ein Drum'n'Bass-Ensemble gegeben. Bis heute sind die Melodien von Tänzen wie Sirba, Hora oder Bria permanent an Jüngere weitervermittelt worden – und mit ihnen auch Spieltechniken sowie die im Laufe der Zeit bereits etwas eingedellten Instrumente.

Ins Heimatmuseum gehört Fanfare Ciocarlias Musik deshalb noch lange nicht. Beim Rumba und Samba bedienen sich die zwischen 23 und 69 Jahre alten Entertainer genauso gerne wie bei indischen Soundtracks. Und auf ihren furiosen Konzerten werden auch mal Songs wie der Discofeger „One Way Ticket“ oderABBAs „Money Money Money“ von einem DJ angespielt, bis die Band nach ein paar Takten mit einer irrwitzigen Coverversion hineinplatzt.

Neuerdings ist gar eines ihrer Stücke in der TV-Werbung für ein deutsches Geldinstitut zu hören. Wie schön, daß Fanfare Ciocarlia offenbar nicht nur Mosch-Fans und voreingenommenen Ignoranten, sondern auch Anlageberatern Feuer unter dem Hintern machen. Außer ihrem eigenen vielleicht, aber das sollte ihnen niemand verdenken. Jan Möller

Konzert: Montag, 21 Uhr, Fabrik