Große Koalition? Überdosis Borttscheller?

■ Sag's doch durch die Blume: Was Henning Scherf über kriminelle AusländerInnen denkt, sich aber nicht so richtig zu sagen traut

Der Bürgermeister und Justizsenator dieser Stadt hat bekanntlich ein großes Herz. Und wer ausgestattet ist mit einem solch überdimensionierten Organ, findet für jede Randgruppe in diesem Bremer Bundesland ein lauschiges Plätzchen im rechten Kämmerchen.

In einem Interview über diverse Ausländerthemen für die „Stimme“, der Zeitschrift des Dachverbands der Ausländer-Kulturvereine in Bremen (DAB), weist Henning Scherf nun auch den „wunderbare(n) Nachbarn und Bürger(n)“ eine Suite de luxe in seinem großem Herzen zu.

Die wunderbaren Nachbarn – gemeint sind die „vielen, vielen Ausländer“, die mitten unter uns leben – „müssen geschützt werden“. Nicht etwa, was unmittelbar einleuchten würde, vor RassistInnen oder wildgewordenen bayerischen Innenministern. Nein: Henning Scherf will die wunderbaren Nachbarn vor den bösen bösen Nachbarn schützen. Mithin vor jenen AusländerInnen, die kriminell geworden sind.

Letztere nämlich sind, weiß Scherf, verantwortlich dafür, daß die wunderbaren AusländerInnen mit Kriminellen gleichgesetzt werden und derart „pauschalisierenden Verdächtigungen“ ausgesetzt sind. Verdächtigungen also, wie sie zum Beispiel RassistInnen oder bayerische Innenminister bevorzugt in die Gegend posaunen.

Solche Verdächtigungen schafft man aus der Welt, indem man die kriminellen AusländerInnen mit der „ganzen Härte dieses Rechtsstaats“ konfrontiert. Vor allem Eltern, die sich der Verantwortung für ihre kriminelle Bagage nicht bewußt sind, sollen zukünftig ein Problem mit dem Bürgermeister und Justizsenator bekommen. „Dann kriegen sie ein Problem“, droht Scherf ganz und höchst persönlich. „Auch mit mir.“

Welches Problem sie mit ihm bekommen, will Scherf aber nicht so richtig sagen. Allerdings: Den Eltern, denen es egal ist, was ihre Kinder tun und die sich deshalb nicht für sie verantwortlich fühlen, ihnen muß man nach Scherf „beibringen, daß das nicht egal ist, daß das Pflicht ist“, sich auch um die verkommene Frucht seines Leibes zu kümmern. Und wie bringt man das bei? Etwa so, fragt da der Interviewer der „Stimme“, wie es die CSU gerne am Beispiel des 14jährigen „Mehmet“ praktizieren möchte, der gerade seine 61. Straftat begangen hat und deshalb samt seinen unbescholtenen Eltern abgeschoben werden soll?

„Ich rede nicht pauschal über irgendwelche Fälle“, antwortet da der Bürgermeister. Aber damit kein Mißverständnis entsteht, sorgt Scherf in der Sache auf seine ganz eigene Weise für Klarheit. „Ich“, sagt Scherf, „bin keiner, der sagt, die resozialisieren wir“. Vielmehr ist er einer, der sagt: „Wer sich hier kriminell verhält, hat sein Aufenthaltsrecht verwirkt und fliegt raus.“ Womit der Sohn Mehmet schon mal weiß, welches Problem er mit Scherf bekommen wird.

Bleiben aber noch diese Rabeneltern. Denen es nach Scherf – der glücklicherweise nicht pauschal über irgendwelche Fälle redet – also egal ist, was ihre 12- und 13jährigen machen; die den Rechtsstaat bekanntlich „für eine lächerliche Veranstaltung halten, was er aber nicht ist“. Und deshalb ein gar nicht lächerliches Problem bekommen sollen mit dem Bürgermeister persönlich. Weil endlich „Schluß sein muß mit einer allgemeinen Laisser-faire-Politik“, die hierzulande ja – schlimm schlimm – an allen Ecken und Enden zu beobachten ist.

Was will uns dieser Dichter nur damit sagen? Also doch abschieben, die ganze asoziale Bagage? So hat das Scherf nicht formuliert. So nicht. Aber anders schon. Oder habe ich nur ein Problem mit Henning Scherf? Franco Zotta

P.S.: Man kann Scherfs Position zur Kriminalität auch positiv aufgreifen. Kriminellen in der Bundesrepublik Deutschland demnächst einfach androhen, sie bei der nächsten Verfehlung rechtlich in den Stand eines Ausländers zu versetzen: Jede Wette, daß die Kriminalitätsdebatte dadurch völlig neue Impulse erfahren würde!

Das Interview mit Henning Scherf hat der „Stimme“-Redakteur Luigi La Grotta geführt und findet sich in der jüngsten Ausgabe (Heft 7-8/98, S. 9-11). Die Redaktion erreicht man unter Tel.: 61 20 72