Lenken Ägyptens Islamisten ein?

■ Seit dem Massaker an Touristen in Luxor streiten die militanten Gruppen intern über einen Waffenstillstand. Jetzt könnte es soweit sein

Kairo (taz) – Erklären die militanten Islamisten Ägyptens demnächst einen einseitigen Waffenstillstand? Sieben Monate nach dem blutigen Touristen-Massaker von Luxor mehren sich dafür die Anzeichen. Die beiden größten militanten Organisationen des Landes, die sogenannte Islamische Vereinigung „Gama'a Islamija“ und die „Gihad-Gruppe“, arbeiten angeblich an einem Plan, ihre Strategie „an neue Gegebenheiten anzupassen“. Das verkündete zumindest ihr ehemaliger Anwalt Muntasir Zayat in Kairo. Zayat wird allgemein als eine Art Sprecher der Gama'a und als deren Mittelsmann zur Regierung angesehen. In einem Interview mit der arabischen Zeitung Al-Hayat sprach Zayat letzte Woche sogar von einer Art „Perestroika“ in den Reihen der Militanten.

Alle Gruppen studieren laut Zayat derzeit erneut ein einseitiges Waffenstillstandsangebot, das die in ägyptischen Gefängnissen einsitzende „historische Führung“ der Gama'a bereits vor genau einem Jahr unterbreitet hatte. Der Vorschlag aus den Gefängnismauern war damals allerdings sowohl von der Gama'a-Führung im Exil als auch von der Gihad-Gruppe abgelehnt worden. Die Antwort der Befürworter von Gewalt war der Anschlag von Luxor, in dessen Folge durch ständig verbreitete Erklärungen und Gegenerklärungen zum Einsatz von Gewalt gegen Zivilisten die Differenzen innerhalb der Gruppen öffentlich wurden.

Jetzt scheinen die Mehrheiten in Richtung Akzeptanz des Waffenstillstandes zu kippen. Ein von Al-Hayat nicht namentlich genanntes Mitglied der militanten Gruppen verspricht in naher Zukunft einen „Sicherheitspakt mit der Gesellschaft“. Eine gemeinsame Linie zu finden, so das Mitglied, dazu bedarf es wegen der Kommunikationsprobleme zwischen der Führung im Gefängnis und im Exil allerdings noch einiger Zeit. Außerdem gelte es, noch einige Differenzen zwischen der Gama'a und Gihad auszuräumen.

Grund für den möglichen Meinungsumschwung könnte die gesellschaftliche Isolation sein, in die sich die Gruppen vor allem mit ihren Anschlägen auf Touristen manövriert haben. Jeder zehnte Arbeitsplatz Ägyptens hängt direkt oder indirekt vom Tourismusgeschäft ab.

Auch die Koordination der Gruppen im Ausland ist seit dem Anschlag in Luxor schwieriger geworden. Vor allem die politischen Kader in Europa werden seitdem genauer beobachtet. Großbritannien etwa hatte vor wenigen Monaten mehreren Ägyptern ein Visum verweigert, nachdem klar war, daß sie zu einer Konferenz nach London reisen wollten, die von der Gama'a organisiert worden war. Ägypten hatte sich nach dem Anschlag in Luxor mehrmals offen bei der britischen Regierung über deren Tatenlosigkeit angesichts zahlreicher dort aktiven Mitglieder der militanten Gruppen beschwert.

Vollkommen im dunkeln bleiben dagegen weiterhin die Aktivitäten der vermutlich in Afghanistan lebenden militärischen Exilführung. Dort waren die Waffenstillstandsangebote anderer Mitglieder bisher immer auf Ablehnung gestoßen. Aus ihren Reihen soll auch der Befehl für den Anschlag in Luxor gekommen sein.

Die ägyptische Regierung hat bisher nicht öffentlich auf die Diskussion innerhalb der militanten Ränge reagiert. Einen Dialog hat sie stets kategorisch abgelehnt. Indirekt ist die Regierung derzeit allerdings auch auf Deeskalationskurs. Willkürliche Massenverhaftungen stehen seit der Amtseinführung des neuen Innenministers Habib al-Adly nach dem Luxor- Massaker nicht mehr auf der Tagesordnung. Außerdem wurden in den letzten Monaten Hunderte vermeintliche Gama'a-Mitglieder, die ohne Anklage in Verwaltungshaft einsaßen, ohne großes Aufsehen freigelassen. Das könnte ein Signal an die Militanten sein. In früheren Erklärungen hatte die Gama'a bereits ihren Willen zum Gewaltverzicht betont, falls es positive Zeichen von seiten der Regierung geben würde: „Wir werden hundert Schritte in Richtung einer Beruhigung der Lage voraneilen, wenn die Regierung einen Schritt macht“, heißt es etwa in einem früheren Kommuniqué der Gama'a. Karim El-Gawhary