Japans Premier sagt „sayonara“

Nach der Wahlniederlage wird Nachfolger für Hashimoto gesucht  ■ Aus Tokio André Kunz

„Diesen Denkzettel hat die LDP verdient“, sagt Hiroshi Takemura strahlend in seinem Nudelshop beim Bahnhof Yokohama. 35 Jahre hat der 57jährige Takemura treu die Liberaldemokraten (LDP) gewählt, doch bei den Oberhauswahlen am Sonntag wechselte er die Loyalität und gab seine Stimme einer jungen Kommunistin. „Die LDP muß endlich entscheiden, was sie gegen die Wirtschaftskrise tun will. Das Zögern und Zaudern von Premier Hashimoto war ja nicht mehr auszuhalten“, fügt Takemura hinzu.

Gestern zog Hashimoto die Konsequenzen aus der schweren Wahlniederlage und erklärte seinen erwarteten Rücktritt. Die Bevölkerung nahm dies gelassen auf. Die LDP verlor 17 Sitze im Senat und ist nun mit 105 der 252 Sitzen vollends in der Minderheit. Doch das Ergebnis hat kaum Einfluß auf die Vormachtstellung der LDP, da sie im mächtigen Unterhaus mit 262 von 500 Sitzen weiter über die absolute Mehrheit verfügt. Die Senatswahl faßten die Japaner als Referendum gegen die Wirtschaftspolitik Hashimotos auf, den sie als Hauptschuldigen für die schwerste Rezession seit 1973 betrachten. „Wir wollen endlich einen Premier, der mutige Entscheidungen trifft, um diese Rezession zu beenden“, sagt Takemura.

Dieser Wählerwunsch dürfte für die LDP sehr schwer zu erfüllen sein. Denn Hashimotos Job ist in den Reihen der Regierungspartei alles andere als begehrt. Der neue Premier muß den Japanern in den nächsten Monaten bittere Medizin verschreiben, damit das Land aus der Wirtschaftskrise herauskommt. Und es ist auch in der LDP-Zentrale klar, daß Hashimoto die Schuld für die gegenwärtige Krise nicht allein trägt.

Am 21.Juli will die LDP-Fraktion einen neuen Parteipräsidenten wählen und ihn dann dem Parlament als neuen Ministerpräsidenten vorschlagen, kündigte Generalsekretär Koichi Kato gestern an. Mit der Wahl wird für den 30. Juli gerechnet. Drei Namen werden herumgereicht. Außenminister Keizo Obuchi führt die größte LDP-Fraktion und wäre deshalb der natürliche Nachfolger. Doch ihm fehlt es an wirtschaftlicher Sachkenntnis und Charisma. Ein weiterer Nachteil ist seine enge Verbindung mit Hashimoto, die gerade nach der Wahlschlappe für Kritik sorgt.

Als streitbarer Hashimoto- Gegner hat sich der frühere Kabinettssprecher Seiroku Kajiyama (72) profiliert. Der Schützling von Ex-Premier Yasuhiro Nakasone gilt als erzkonservativer Politiker, der mit provokanten Voten auffiel. Vor wenigen Tagen erschreckte er die Finanzwelt, als er sagte, die Hälfte der japanischen Banken sei unnötig. Als möglicher Kompromißkandidat wird auch Ex-Außenminister Yohei Kono gehandelt. Er profilierte sich jüngst als objektiver Kritiker der Politik Hashimotos. Er bewarb sich schon 1995 als Parteipräsident, unterlag damals aber Hashimoto. Der bleibt zwar bis zur Ernennung des Nachfolgers im Amt, sagte aber bereits gestern zwei geplante Reisen nach Frankreich und in die USA ab. Außenpolitisch bleibt Japan in den kommenden Wochen wenig Handlungsspielraum, da die Wirtschaftspolitik im Vordergrund steht.

Die Finanzmärkte erwarten offenbar neue Impulse von der LDP, denn sie reagierten gestern positiv auf das Wahlergebnis. „Die LDP muß nun schnell handeln, um ein politisches Vakuum zu verhindern“, sagt der Politologe Takayoshi Miyagawa. Er ist überzeugt, daß die LDP mit den bisher versprochenen Reformen fortfährt und Japan als stabil betrachtet werden könne. Laut Miyagawa könne ein neuer Premier die Wende der LDP in Steuerfragen und bei der Stimulierung der Konjunktur mit mehr Nachdruck durchsetzen. Kommentar Seite 12