Falscher Alarm

■ Studie über Jugendgewalt widerspricht dem „Es-wird-alles-schlimmer“-Trend

Der Kriminologe Christian Pfeiffer ist verstimmt: Erst gab Schulsenatorin Rosemarie Raab (SPD) Teile seiner Studie, die erst im September vorgestellt werden sollte, an die Schulen weiter; prompt landeten die Ergebnisse beim Hamburger Abendblatt. Und das verkündete dann gestern: Jeder vierte Jugendliche in Hamburg wurde bereits Opfer einer Gewalttat – „alarmierende Zahlen“. Seine Untersuchung aber, betont Pfeiffer, widerspreche gerade dem behaupteten Trend, daß alles immer schlimmer werde.

Die Forschung zu „Gewalterfahrungen und Kriminalitätsfurcht bei Kindern und Jugendlichen in Hamburg“ bildet den Abschluß einer Studie, deren erster Teil im vorigen Jahr für Aufsehen gesorgt hatte. Damals hatte Pfeiffer die Straffälligkeit von Jugendlichen und die Bekämpfung der Jugendkriminalität untersucht. Nun befragte er 3562 Neuntklässler an 155 Schulen zu ihren Gewalterfahrungen.

Zu konkreten Ergebnissen wollte Pfeiffer sich noch nicht äußern, bestätigte jedoch die gestern vorab veröffentlichten Zahlen. Durch die zeichne sich ab, daß die Jugendlichen das Thema „Gewalt“ offenbar weit weniger beunruhigt als medial dargestellt. Nach ihren Ängsten befragt nannten die Jugendlichen ihre Sorge, Opfer einer Raubtat zu werden, erst auf Platz acht. Viel mehr machen sich hingegen Sorgen um die Umweltverschmutzung (61,8 Prozent), haben Angst vor dem Tod eines Familienangehörigen (59,9 Prozent) oder davor, keinen Ausbildungsplatz zu finden (50,5 Prozent).

Knapp die Hälfte aller befragten SchülerInnen berichteten, regelmäßig „gehänselt“ zu werden und dies als Gewalt zu empfinden. Knapp zwanzig Prozent sind schon einmal von MitschülerInnen geschlagen, neun Prozent bedroht worden, fünf Prozent mit einer Waffe.

Gewalt spielt sich eher unter Jungen ab. Rund die Hälfte von ihnen bekannte, selbst bereits einmal gehänselt, geschlagen oder bedroht zu haben, während das nur 23,6 Prozent der Mädchen angaben.

Pfeiffer fühlt sich und seine Studie in der aktuellen Diskussion um Jugendkriminalität „ein bißchen instrumentalisiert“. Schon vorherige Forschungen seines Instituts hätten ergeben, daß die Schwere der von Jugendlichen begangenen Taten eher abnehme, „aber das interessiert die Politiker nicht“.

Elke Spanner/Heike Dierbach