Gegengewicht zur EZB gefordert

■ Altpolitiker wollen „demokratischen Rahmen“ für den Euro und warnen vor zu schneller Osterweiterung der Europäischen Union

Bremen (taz) – Die Europäische Zentralbank muß unabhängig sein – darüber sind sich die Verfechter des Euro einig. Das Problem: „Europa hat ja keine Regierung, von der die Zentralbank unabhängig sein könnte.“ Frankreichs ehemaligem Staatspräsidenten Valéry Giscard d'Estaing fehlt in der Konstruktion der gemeinsamen europäischen Währung ein „Ort der wirtschaftspolitischen Debatte“, in dem die Zentralbanker ihre Analysen und Konzepte erklären und öffentlich rechtfertigen müssen. Giscard fordert deshalb einen parlamentarischen Ausschuß als „wichtiges Rädchen“ für den Euro.

Das Gremium soll, so die Vorstellung des Franzosen, aus Europaabgeordneten aus den Euro- Mitgliedsländern und nationalen Parlamentariern besetzt sein und seinen Sitz in Paris haben – als Gegengewicht zur Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main.

Für seinen Vorstoß nutzte der Franzose eine Festveranstaltung zum 20. Jahrestag der Einführung des Europäischen Währungssystems (EWS) im Bremer Rathaus. Gemeinsam mit dem damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) hatte Giscard 1978 bei einer Tagung des Europäischen Rates in der Hansestadt die Mehrheit der anderen Staatschefs vom EWS überzeugt.

Das System mit seinen innerhalb bestimmter Bandbreiten fixierten Wechselkursen gilt als Meilenstein auf dem Weg zum Euro. Falls die „währungspolitisch ruhigen Zeiten“ einmal vorbei seien, könnte die Europäische Zentralbank zur Inflationsabwehr in einigen Mitgliedsländern gezwungen sein, eine Hochzinspolitik zu betreiben oder von den Geschäftsbanken höhere Mindesteinlagen zu verlangen, warnte Giscard. Das könnte in anderen Ländern die Konjunktur abwürgen. Dann brauche man einen „demokratischen Rahmen“, um diese Interessengegensätze zu diskutieren.

Altbundeskanzler Helmut Schmidt unterstützte Giscards Anliegen, denn „Währungspolitik ist immer auch Außenpolitik“. Die Transparenz aller Preise und Löhne „von Helsinki bis Lissabon“ eröffne zwar neue Chancen im Wettbewerb. Der Euro werde das drängendste europäische Problem, die Massenarbeitslosigkeit, aber „weder positiv noch negativ“ beeinflussen, sagte Schmidt. Für die Stabilität der neuen Währung sehe er „überhaupt keine Gefahr“.

Weil die Europäische Zentralbank keine Notenbankkredite an einzelne Staaten vergeben dürfe, sei eine der wichtigsten Inflationsquellen verstopft. Wie Schmidt kritisierte auch der Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Rolf E. Breuer, daß die Außenwirkung des Euro wegen der Sorge um seine innere Stabilität bisher nur unzureichend diskutiert worden sei. Dabei sei das künftige Verhältnis des Euro zum Dollar und anderen Währungen entscheidend für die globalisierte Weltwirtschaft.

Beim Thema EU-Osterweiterung plädierten Giscard, Schmidt und Breuer gleichermaßen für ein schrittweises Vorgehen. „Wenn 40 Millionen Polen über Nacht in den gemeinsamen Markt kommen, wird das sofort entsetzliche Arbeitslosigkeit zur Folge haben“, erwiderte Schmidt dem brandenburgischen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD). Der hatte gewarnt, die „Europa-Erwartung der Polen“ zu enttäuschen. „Alle reden über die Osterweiterung, die nicht vor 2003 ansteht“, monierte Deutsche-Bank-Chef Breuer, „und niemand über die Hausaufgaben, die in der EU zu machen sind“. So müsse zum Beispiel dringend das steuerliche Umfeld harmonisiert werden. Außerdem fehle es der EU „an faßbarer demokratischer Kontrolle“. Joachim Fahrun