■ Glanzlichter des deutschen Fernsehens, für die Öffentlichkeit neu aufgelegt
: Man muß etwas tun

Eines Abends also beschlossen wir, nicht einfach rumzulungern beim Bier, sondern etwas für die Kultur zu tun. Die personelle Besetzung der sonntäglichen Runde – drei Stammzecher, und als Nummer 4 kam mal dieser, mal jene hinzu – brachte uns darauf, ein Glanzlicht des Fernsehens nachzuspielen: das „Literarische Quartett“. Nur, daß wir uns halt nicht aufs Debattieren über bedrucktes Papier beschränken wollten, sondern uns ein breit gefächertes Themenspektrum wünschten. Soweit die Grundidee. Den Gedanken, das Ereignis vom nahegelegenen Landesstudio des Westdeutschen Rundfunks live in sämtliche Wohnstuben Nordrhein- Westfalens übertragen zu lassen, verwarfen wir – schließlich sollte nichts überstürzt werden, und als kompetentes Publikum stand ja Inge zur Verfügung, die geduldige Wirtin des Lokals.

Als Eingangsthema wählten wir das neue Restaurant gegenüber. Der hierzu benannte Referent erörterte, dort gebe es kleine Portionen, dies aber immerhin zu akzeptablen Preisen; die Bedienungen wirkten plan-, die Menükarten lieblos, die Klos siffig. Ende des Vortrags.

Die drei Zuhörer bekannten, sie seien in dem Laden noch nie gewesen und speisten eh meist daheim, also: kein Kommentar. Denn auch das wollten wir anders machen als die Vorbilder im TV: ehrlich miteinander sein – hat man je Frau Löffler zu Herrn Reich-Ranicki sagen hören, dieser Schinken, den er bejubele, sei ihr a) fremd und b) völlig wurscht? Na eben.

Nächstes Thema: die im Hintergrund mitlaufende Lokalradio- Sendung „Herzflimmern“ – nichts Medizinisches, sondern eine Flirt- Show. Die Referentin legte dar, einen attraktiven Kerl könne sie da sicher nicht kennenlernen, weil es naturgemäß nur Typen zum Hörfunk ziehe, die reichlich bestußt aussähen. Wir fanden für den Moment keine Möglichkeit, die These zu überprüfen – und die Telefonanschlüsse des Senders waren besetzt. Wenigstens lieferte die eingestreute Musikeinblendung das dritte Thema: „Boygroups“ – Teufelswerk, wie der zuständige Referent feststellte: Es liege allein an den Backstreet Boys und ihren Kollegen, daß durchschnittsgesichtige junge Männer sich gezwungen sähen, tief in der Nacht in puncto Kontaktanbahnung bei Radiostationen vorstellig zu werden. Es gab von allen Seiten beifälliges Nicken, mit Ausnahme der Gastrednerin, die sich mit einer Bemerkung verabschiedete, in der die Formulierungen „nicht zum Aushalten“ und „Faxen dicke“ vorkamen. Was soll's – die laden wir jedenfalls nie wieder ein, diese arrogante Ziege.

Außerdem gründen wir jetzt unsere eigene Boygroup, weil: Man muß was tun. Nicht nur so rumtheoretisieren wie diese ZDF-Intellektuellen! Die geneigte Leserschaft mag an dieser Stelle die Stirn runzeln. Zugegeben, mittlerweile hatte das Niveau der Unterhaltung merklich nachgelassen. Gottlob war die Sendezeit verstrichen, alle Fragen blieben offen wie nur was, wir sahen alle aus wie Karasek, und unsere Deckel zeugten davon, daß wir einen ganz schön dollen Marktanteil erreicht hatten.

Unser Publikum wünschte uns einen schönen Heimweg. Andreas Milk