Schizophrene Züge

■ betr.: „Unterricht? Nicht mit dei nem Kopftuch!“, „Und mit Kippa?“, taz vom 14. 7. 98

[...] Wenn es um die Selbstdarstellung in Sachen Verwirklichung demokratischer Grundrechte in der BRD geht, dann sind sich die Politiker über fast alle Parteigrenzen hinweg einig: „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen!“ Das Beispiel der deutschen Lehrerin afghanischer Abstammung zeigt jedoch wieder sehr deutlich, wie kleinkariert unsere Politiker denken: Es gibt offensichtlich „gute“ Deutsche mit der richtigen (arischen?) Abstammung und (adoptierte?) Zugezogene, die sich zu einem „falschen“ Glauben bekennen. Besonders unerhört und auch ganz unchristlich herabgewürdigt wird bei letzteren das öffentliche Bekenntnis, das leider nicht nur den „Taufurkunden“-Christen fast durchgängig abgeht. Schizophrene Züge offenbart die Politposse im Musterländle, das seine Wirtschaftskraft auch der Mithilfe von fleißig schaffenden Arbeitnehmerinnen, die einen Schador oder ein Kopftuch tragen, verdankt, wenn wir uns vor Augen führen, daß in Bayern Andersgläubigen wie auch Atheisten staatlicherseits zugemutet wird, sich unter dem Kruzifix beschulen zu lassen!

Ich würde mich freuen, wenn wir in Deutschland nicht nur von Toleranz schwafelten, sondern sie auch tatsächlich praktizierten. Ich bin mir zudem sehr sicher, daß Frau Ludin unvermittelt die ganze Härte des Dienstrechts zu spüren bekäme, würde sie ihre Schüler zu indoktrinieren versuchen. In solche Fällen gehen die zuständigen Disziplinarbehörden bekanntlich nicht so zögerlich vor wie bei der Überprüfung rechtsextremer Beamter und anderer Staatsdiener (einschließlich Bundeswehr und Polizeidienst). Eckard Wendt, Stelle