Verzögerungstaktik wird jetzt teuer

■ EU will die Rechte von Unfallgeschädigten gegen die Willkür von Versicherungen stärken. Bisher bis zu achtjährige Verfahren

Brüssel (taz) – Wer im Ausland unverschuldet in einen Verkehrsunfall verwickelt wird, hat häufig das Problem, daß die zuständige Versicherung nur schwer ausfindig zu machen ist, den Fall ewig verschleppt oder einfach nicht zahlen will. Das Europaparlament hat gestern beschlossen, die Kfz-Versicherer zu zwingen, eindeutige Fälle im Heimatland des Geschädigten abzuwickeln und das Geld innerhalb von sechs Monaten zu überweisen.

Nach Schätzungen des ADAC passieren in der EU jährlich 500.000 Unfälle, bei denen der Geschädigte aus einem anderen Land kommt. „Die Abwicklung ist höllisch kompliziert“, erzählt ein Mitarbeiter der Grünen im Europaparlament, dem einmal in Brüssel das Auto angefahren wurde. „Der belgische Versicherer weigert sich seit drei Jahren, den Schaden anzuerkennen.“ Sein Anwalt hat nun ein Verfahren eingeleitet und einen Prozeßtermin bekommen – im März 2002.

Ein Netz aus Informationsstellen in allen EU-Ländern soll künftig sicherstellen, daß die zuständige ausländische Versicherung schnell ausfindig gemacht werden kann. Weil für normale Menschen der Kampf gegen die Windmühlen dann erst richtig anfängt, muß jede Versicherung in allen EU-Ländern Repräsentanten benennen, die in der Lage sind, die Schadensabwicklung in der Sprache des Geschädigten zu erledigen. Den Versicherungen bleibt es überlassen, ob sie die Aufgabe einem Rechtsanwalt oder einer einheimischen Partnerversicherung übertragen.

Nach den bisherigen Erfahrungen kann es acht Jahre dauern, bis die Haftpflichtversicherer den Schaden endlich bezahlen. Das Europaparlament setzt nun eine Frist von sechs Monaten, danach sollen saftige Zinsen fällig werden, die acht Prozent über dem jeweiligen Zentralbank-Zins liegen. Derzeit würde das bedeuten, daß bei einem Schaden in der Höhe von 10.000 Mark jeden Monat knapp 100 Mark an Zinsen dazukommen. „Das wird die Regulierung beschleunigen“, hofft der SPD-Europaabgeordnete Willy Rothley, der den Gesetzesvorschlag ausgearbeitet hat.

Rückgrat der ganzen Regelung ist ein sogenannter Entschädigungsfonds, der in jedem Land von den nationalen Versicherungsverbänden eingerichtet werden soll. An den können sich die Unfallgeschädigten wenden, wenn die ausländische Versicherung trotz allem nicht zahlen will. Der Fonds streckt dann das Geld für den Unfallschaden vor. Dahinter steht die Überlegung, daß die Versicherungsverbände bessere Möglichkeiten haben als der Normalbürger, sich das Geld von den ausländischen Partnern zurückzuholen.

Der Haken an der Geschichte ist nur, daß die Schuldfrage eindeutig geklärt sein muß. Das ist zwar meistens der Fall, rund 90 Prozent der Schadensfälle werden außergerichtlich geregelt. Doch den anderen zehn Prozent nützt die EU-Regelung wenig. „Bei Streitigkeiten um die Schuldfrage müssen die nationalen Gerichte entscheiden“, räumt Rothley ein, „wir können nicht in die Rechtssysteme eingreifen.“

Die Entscheidung des Europaparlaments muß jetzt noch vom Ministerrat, in dem die nationalen Regierungen vertreten sind, bestätigt werden. Willy Rothley ist da aber zuversichtlich: „Wir haben das bereits abgeklärt.“ Danach geht der Entwurf noch einmal zum Feinschliff ins Parlament, bevor er nach einer Übergangszeit von zwei Jahren in Kraft treten kann. Soviel Zeit bräuchten die Versicherungen, heißt es, um sich auf die neue Regelung einzustellen. Alois Berger