Auf der Suche nach der Generation S.

Kioskoffensive für „Lebensunternehmer“: Die neuen Wirtschaftsmagazine erklären das Leben zur Wirtschaft und die Wirtschaft zum Leben. Damit könnten sie die Vorboten einer kommenden Ära sein  ■ Von Lutz Meier

Das neue Magazin war noch keine zwei Ausgaben alt, da hatte es allen anderen schon etwas voraus. Als Mitte Juni Gerhard Schröder den Unternehmer Jost Stollmann überraschend als Schattenminister präsentierte, da stand schon alles über seinen „Ausstieg in die Zukunft“ in Econy. Schließlich schien er alles zu verkörpern, wofür Econy als „neues Wirtschaftsmagazin“ stehen wollte: Nicht einfach ein Unternehmen hat er aufgebaut, ein „Kulturexperiment“ will er unternommen haben. Das paßt zum Ansatz des Heftes, den Chefredakteurin Gabriele Fischer vielleicht „ganzheitlich“ nennen würde, wenn sie bei dem Wort nicht „grüne Pickel kriegen“ würde.

Wenn sich eine neue Generation formiert, dann steht am Anfang oder am Ende oft eine Zeitschrift. In den 60ern begann Bravo damit, die erste deutsche Popkulturgeneration marktfähig zu machen. In den 70ern goß Twen, eine Zeitschrift wie ein Traum, die Träume der Willy-Brandt-Generation in ein verkaufbares Format. In den 80ern war es Tempo, das der Sehnsucht der Nachgeborenen nach Distinktion und der Autonomie des Schönen eine irdische Form gab. Und die frühen 90er charakterisiert kaum etwas so, wie der Erfolg von Focus. Focus gab einer riesigen Schicht von ökonomisch präpotenten Männern, die sich in der medialen Repräsentation als Nobodies fühlen mußten einen gesellschaftlichen Platz.

In den Großverlagen betreibt man das Herauskristallisieren von Gruppen aus der Bevölkerung längst so professionell wie in jeder anderen Marktforschung. Mit dem Aufschwung dieser Zielgruppenforschung schien freilich die Zeit der wirklich generationenbildenden neuen Zeitschriftenkonzepte eigentlich vorbei zu sein. Doch nun ist mit Econy möglicherweise die erste Zeitschrift für die Generation Schröder da.

Wenige Monate vor dem prophezeiten Wechsel hat der Terror der Ökonomie das Zeitschriftenregal ergriffen. Seit alle Welt kapiert hat, daß es letztlich Geld ist, was zählt, sprießen die Wirtschaftsblätter nur so. Da sind die zahllosen Neu-Titel wie Der Aktionär, die den Anlegern erklären, wohin sie am besten ihre Scheinchen häufeln. Oder auch Plus, Geldwoche und Geldidee, die dünnen billigen Heftchen mit dem „Nutzwert“ („Wohin mit Ihrem Geld?“). Mit Tips, die den unteren Rängen suggerieren, daß für sie auch noch ein paar Krumen abfallen.

Ein Kioskregal drüber liegen seit Ende April alle zwei Monate für fünf bzw. neun Mark Bizz und Econy, die beide als Ableger traditioneller Wirtschaftszeitschriften auf die Welt kamen: Bizz von Capital (Verlag Gruner + Jahr) zum Econy vom Manager Magazin, also vom Verlag des Spiegel. Die klassische Wirtschaftspresse, außerdem Impulse (G+J) und Wirtschaftswoche (Holtzbrinck-Verlag), haben es indes kaum vermocht, vom sich vermassenden Interesse an „der Wirtschaft“ zu profitieren.

Ein Interesse, das sich aus zwei Quellen speist. Zum einen die allgemeine Sorge um die Zukunft, die einer Capital-Umfrage inzwischen vier Fünftel der Erwachsenen unter 50 fürchten läßt, ihre Rente werde einstmals nicht mehr reichen. Zum anderen ist da die bisweilen naive, bisweilen auf solide Erbaussichten gestützte Hoffnung der Jüngeren, dort wo neu verteilt wird, könne man schließlich auch zu denen gehören, die oben ankommen. Doch während die Grundbegriffe der Ökonomie und deren Jargon bis in den letzten Winkel der Gesellschaft vordringen, stagnieren die Auflagen der klassischen Wirtschaftsblätter. Kein Wunder: Denn die Magazine mit ihren knallharrten Stories aus den Chefetagen der Großkonzerne strahlen den Charme eines ausgesessenen Ledersessels im Chefbüro aus. Wer als Betriebs- oder Literaturwissenschaftsstudent der Verheißung anhängt, demnächst mit einer Hinterhofklitsche zwischen Ikea- Regalen den Börsengang zu planen, kann damit wenig anfangen.

Bei Bizz („Job. Geld. Leben“) und Econy („Business in Bewegung“) aber zeigen schon die Untertitel das Prinzip: Wirtschaft ist ihnen nicht wie den Papa-Blättern eine Sache für die zehn Stunden im Büro. Nein, diese Blätter erklären gleich das ganze Leben zur Wirtschaft und Wirtschaft zum Leben. Das ist das generationenmachende Programm: „Zum ersten Mal“, schreibt die Bizz-Redaktion im zielgruppenspezifischen unskrupulösen Hau-drauf-Jargon, „zum ersten Mal spiegelt ein Wirtschaftstitel in Deutschland die Lebenswelt einer neuen Generation, (...) die ihr Leben als Unternehmen begreift.“ Und die Econy- Chefin macht in ihrem Editorial schon mal die zentrale Platitüde der Prä-Schröder-Ära zum Blattprinzip: „Ein Magazin für die Mutigen – und gegen die Bremser“ („Richtig gute Anti-Lamentier- Artikel“ schallt es ihr aus der Leserschaft dankbar zurück).

Um die Generationenwende einzuläuten, treibt Bizz allerhand Kiki, steckt hier die politische Klasse in abgestandene Jugendmode, stellt da Helmut Kohl eine Ruhebank vor die Tür. Ansonsten peppt das Blatt das hinreichend von Billigblättern wie Geldidee beackerte gnadenlose „Nutzwert“- Prinzip („Erben ohne Ärger“) mit Lifestyle-Geschichten („Fitness für die Arme“) und Unternehmererfolgsstories („Die jungen Vordenker der Großkonzerne“) auf und arbeitet an der Ökonomisierung des Lebens: „Vorsicht Liebe – ohne Beziehungsmanagement sind Partner aufgeschmissen“. Das Heft selbst ist indes nicht weiter der Rede wert. Selbst die raren guten Stories werden vom uninspirierten Layout erdrückt, das daherkommt wie das vollgemüllte Schlafzimmerbüro eines schon zum Scheitern verurteilten Jungunternehmers.

Von ganz anderem Kaliber ist da Econy. Seine Seiten sind von aufklärerischer Klarheit, eher ein Heft wie eines dieser tollen mauerlosen Büros, die nur Glaswände kennen, von denen auf den Econy- Seiten geschwärmt wird. Die Fotos in Econy scheren sich einen Dreck um Ledersessel, sondern zeigen grüne Wiesen und kreativ herumliegende Mineralwasserkisten im Büro. Da muß der BWLer kein amerikanisches Magazin mehr ins Zimmer drapieren, wenn die kunstsinnige Angebetete kommt. Chefredakteurin Gabriele Fischer hat es in ihren Magazin einfach so gemacht, wie all die vielen erfolgreichen Hinterhofunternehmer: Sie hat sich ein kleines Team gesucht und Autoren, die wahrscheinlich auch nicht so genau wissen, wie die Umsatzrendite errechnet wird. Ein Heft fast ohne Infokästen, das könnte mal ein wirklich neues Zeitschriftenkonzept sein. Die Geschichten sind lang, und einige sehr sorgfältig geschrieben. Zum Teufel mit dem Nutzwert: Es ist schon kühn, ein Wirtschaftsmagazin zu machen, daß sich den ökonomischen Dogmen der Effizienz und dem Verwertbarkeitszwang völlig verweigert.

Aber es ist kein gutes Zeichen, daß etwas Schönes wie Econy heute ein Magazin sein muß, das am Ende auch nur der Banalität des Warenaustauschs eine Seele zu geben verspricht. Scheitern ist auf seinen Seiten allenfalls als Prolog einer neuen Geschäftsidee erlaubt, die Misere darf nur als Folie für den gepredigten Aufbruch eines hier wie überall mythisierten neuen Kleinunternehmertums dienen. Da ändern auch die schönen Geschichten über die Managementreform im Nonnenkloster am Kochelsee nichts dran. Aber sonst wimmelt's dann doch ein bißchen viel von Aufsteigern, „Querdenkern“ und Erneuerungsprosa. So naiv er uns auch hier ankommt, könnte der vermeintliche Aufbruch der unbedarften Entrepeneure in Ökonomie und Leben („Jeder Mensch ist ein Lebensunternehmer“) sein Wagniskapital rasch verbraucht haben. Das ist die Mißlichkeit einer Generation. Ob es für das schöne Econy genügend Leser aus der Gruppe gibt, wie sie die Chefredakteurin beschreibt, die „Philosophie studieren, nebenher ein Unternehmen aufmachen und dann noch einen Lehrstuhl erlangen“, ist die mißliche Frage für das Blatt. Die Chefin räumt ein, daß ihr Heft „eine Wirtschaftswelt beschreibt, die es vielleicht nur in Oasen gibt“. Einstweilen hat man 60.000 Exemplare der Erstausgabe verkauft, zum Jahresende will der Verlag 80.000 verkauft sehen.

Econy, hat ein Antoine de Saint-Exupery zitierender Leser geschrieben, liefere, um ein Schiff zu bauen, nicht Planken und Pläne, sondern „wecke in den Männern die Sehnsucht nach dem großen Meer“. Doch in Econy ist das einstweilen der Wunsch nach dem ziellosen Aufbruch aller, „die auf Veränderung setzen“ (Fischer). So klein sind Sehnsüchte in der Generation S. geworden.