EU stellt Hilfe in Kabul ein

■ Afghanistans Taliban machen die Arbeit ausländischer Hilfsorganisationen unmöglich

Brüssel (taz) – Radikalislamische Talibanmilizen sind gestern nachmittag in das Büro der EU- Kommission in Kabul eingedrungen und haben es geschlossen. Mitarbeiter des Büros teilten mit, sie hätten die Taliban auf ihren halbdiplomatischen Status hingewiesen. Die Milizionäre hätten sich dadurch aber nicht von ihrem Tun abbringen lassen.

Mit der Begründung, die ausländischen Helfer übten einen schlechten Einfluß auf die Bevölkerung aus, hatten die Taliban den Hilfsorganisationen eine zehntägige Frist gesetzt, ihre Büros in Kabul zu schließen. Sie sollten allesamt in ein abgeschottetes Gebäude umsiedeln, das weder Strom noch Wasser hat. Die Frist lief am Sonntag ab.

Die Mitglieder der EU-Kommission glauben, daß die ganze Aktion darauf zielt, die ausländischen Helfer aus dem Land zu vertreiben. Ein EU-Sprecher erklärte gestern in Brüssel, die Union lege sämtliche Hilfsgelder für Kabul, rund 8 Millionen Mark, auf Eis, da eine sinnvolle Verteilung nicht mehr möglich sei. Projekte im übrigen Afghanistan seien aber nicht betroffen.

Die Konflikte zwischen dem islamistischen Regime und den Hilfsorganisationen haben sich in den letzten Wochen verhärtet. Noch am 13. Mai schlossen die Taliban mit der UNO eine Vereinbarung über humanitäre Hilfe, in der auch festgelegt wurde, daß die Gelder Männern und Frauen gleichermaßen zugute kommen müßten. „Aber die Taliban haben alle Abmachungen gebrochen“, sagte der EU-Sprecher. So wurden Frauenabteilungen in den Krankenhäusern geschlossen, neugegründete Mädchenschulen nach einem Monat wiederaufgelöst, wurde weiblichen Helfern die Arbeit durch unzumutbare Bedingungen unmöglich gemacht. „Einschränkungen gab es immer“, so der Sprecher, „aber jetzt hatte es keinen Sinn mehr.“ Die EU hofft auf Entspannung. Die Gelder würden sofort wieder freigegeben, wenn die Taliban die Bedingungen dafür herstellten. Laufende Projekte würden zudem weiterfinanziert, wenn es Hilfsorganisationen gebe, die in Kabul blieben. „Im Augenblick wissen wir nicht, ob alle von uns unterstützten NGOs aufgeben“, hieß es gestern in Brüssel. Alois Berger