Mehr Streik bei General Motors

Gericht zwingt GM und die Gewerkschaft nach fast sieben Wochen Streik zu Schlichtungsverhandlungen. Jetzt wollen auch noch die Arbeiter bei Saturn, dem letzten noch arbeitenden GM-Werk, streiken  ■ Aus Washington Peter Tautfest

Seit gestern sitzen die Vertreter der Automobilgewerkschaft UAW und Manager von General Motors gezwungenermaßen zusammen in einem Hotel in Detroit. In der siebten Streikwoche bei GM in Flint, Michigan, hatte ein Bundesrichter am Dienstag den Beginn von Schlichtungsverhandlungen befohlen.

Der weltgrößte Autokonzern will sich beim Schlichter darüber beschweren, daß es den Streikenden um nationale Belange gehe. Die UAW darf jedoch laut einem Vertrag mit GM nur aus lokalen Gründen streiken. Deshalb begründet die Gewerkschaft ihren Streik auch insbesondere mit dem Verstoß gegen Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften vor Ort.

Zentrales Anliegen der Gewerkschaft aber ist der Kampf gegen das Outsourcing von Aufträgen an fremde Unternehmen, den Ankauf von Teilen bei anderen Firmen und die Verlagerung von Teilen der Produktion an billigere Standorte. Obwohl nur 9.000 Arbeiter in den zwei GM-Werken in Flint in den Ausstand getreten sind, ruht in insgesamt 25 GM-Fabriken mit 186.000 Arbeitern die Arbeit, weil es an Teilen fehlt. Der Konzern verliert dadurch jeden Tag an die 75 Millionen Dollar.

Wenn GM den Streit gewinnt, könnte das Management die Arbeiter per Gerichtsbeschluß wieder an ihre Plätze zurückzwingen und sogar Schadenersatz verlangen, der die Gewerkschaft in den Ruin triebe. Die meisten Beobachter bezweifeln jedoch, daß GM den Streit gewinnt.

Dabei ist GM derzeit von neuem Unheil bedroht. Jetzt wollen in Spring Hill, Tennessee, die Arbeiter der Saturn-Werke in den Ausstand treten. Anfang der 90er Jahre hatte der Kleinwagen noch als das neue amerikanische Autowunder gegolten, als Antwort auf die Popularität japanischer Wagen. Nicht nur der niedrige Preis, sondern auch seine Herstellung im Teamwork waren eine Sensation.

Die 7.200 Gewerkschafter bei Saturn haben in einer Urabstimmung den Streik bereits beschlossen. Jetzt muß nur noch der Dachverband der Autogewerkschaft zustimmen. Dieser Streik aber würde die Lage von General Motors verschlimmern, denn die Saturnwerke sind die letzte Fabrik von GM, die in den USA noch Autos herstellt.

Vordergründig geht es bei Saturn dabei um ganz andere Dinge als in Flint. Die Arbeiter bei Saturn haben mit GM einen Vertrag, nach dem sie bis zu 12 Prozent weniger verdienen als ihre Kollegen in anderen GM-Werken. Dafür werden sie an Managemententscheidungen beteiligt und bekommen Prämien für das Erreichen bestimmter Ziele – bis zu 10.000 Dollar im Jahr. Die Ausschüttung fürs letzte Quartal aber blieb mit 390 Dollar weit unter den Erwartungen. Die Arbeiter werfen GM vor, die Partnerschaft mit der Gewerkschaft aufkündigen zu wollen.

Letztlich aber geht es in beiden Streiks um dasselbe. Nach dem Niedergang der amerikanischen Autoindustrie besannen sich Amerikas Autogiganten Ende der 80er Jahre nämlich auf das, was sie am besten konnten: auf Entwicklung von Motoren und das Marketing von Autos. Bauen konnten die Fahrzeuge auch andere – billiger und meist viel besser als die alten Riesenfabriken der amerikanischen Autoindustrie. Der resultierende Arbeitsplatzabbau und die Umschichtung von Qualifikation sind auch bei Amerikas anderen Autoherstellern, Ford und Chrysler, zu spüren. Auch dort könnte die Arbeiterschaft streiken, womit es in diesem Sommer wieder zu einem jener legendären Superstreiks kommen könnte, wie sie in den 50er Jahren das ganze Land in Atem gehalten haben.