Der neue Bürgerkrieg könnte zum Flächenbrand werden

■ Angolas Unita-Rebellen rücken mit Oppositionellen in der Demokratischen Republik Kongo und Kongo-Brazzaville zusammen. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Loyalität der Bakongo

Eine Lösung des neuen Konfliktes in Angola scheint um so schwieriger zu sein, als dieser nicht nur eine innenpolitische Dimension hat. Eine grenzüberschreitende, ethnisch bedingte Solidarität in der Region könnte den angolanischen Bürgerkrieg leicht in einen Flächenbrand verwandeln. Eine zentrale Rolle dabei spielt das Volk der Bakongo, deren Führer sowohl in Angola, der Demokratischen Republik Kongo als auch in Kongo-Brazzaville in der Opposition zur Regierung stehen. Wenn es jemandem gelänge, die Bakongo zu vereinen, bildeten sie die Klammer zwischen den Gegnern der Regierungen in Luanda, Kinshasa und Brazzaville.

Ein selbsternannter „König“ des Bakongo-Volkes, Bernard Mizele Nsemi, steht derzeit zusammen mit 36 Anhängern in der Demokratischen Republik Kongo vor Gericht. Der Staatsanwalt hat gegen „König Mizele“ die Todesstrafe beantragt. Am 2. Juli hatte die Armee in Kinshasa sein Anwesen nach Waffen durchsuchen wollen und war auf eine außerordentlich gut ausgerüstete Truppe gestoßen, was zu einer heftigen Schießerei mit mindestens acht Toten führte. Mizele floh, wurde aber wenige Tage später verhaftet.

Im Prozeß sind Unterlagen aufgetaucht, wonach Mizele drei westliche Provinzen der Demokratischen Republik Kongo abspalten und zu einem „Vereinigten Königreich Kongo“ zusammenfassen wollte. Mizeles Anhänger berufen sich dabei auf eine Abmachung mit Kabilas Rebellen während des Krieges gegen Mobutu 1997.

Zwar beurteilen Beobachter Mizele als „Spinner“, aber er hat gute Verbindungen zu mächtigen Politikern aus der Zeit der zairischen Diktatur unter Mobutu. Und mit seiner Verhaftung kommt die Frage der politischen Zukunft des Bakongo-Volkes wieder auf die Tagesordnung. Auch die in Angola kämpfende Unita hat ihren Ursprung in den Autonomiebestrebungen der Bakongo.

Das Königreich Kongo war vom 15. bis zum 18. Jahrhundert einer der mächtigsten Staaten in Afrika und umfaßte den Norden des heutigen Angola sowie die Küstenregionen Kongos und Gabuns. Bis heute wirkt der Traum der Wiederherstellung des Bakongo-Reiches in die Politik der heutigen Staaten Angola, Demokratische Republik Kongo und Kongo-Brazzaville hinein.

So war die erste antiportugiesische Bewegung in Angola die 1954 gegründete UPA von Holden Roberto, der die Bakongo in einem Staat vereinen wollte. Aus der UPA wurde die FNLA, von der sich später die Unita unter Jonas Savimbi abspaltete. Die Unita absorbierte schließlich die FNLA.

Die Bakongo fanden sich auf der Verliererseite

In den 80er Jahren hatte die Unita im Kampf gegen Angolas sozialistische Regierung Rückzugsbasen im Bakongo-Gebiet Zaires, während immer wieder angolanische Bakongo nach Zaire flohen. Anfang der 90er Jahre erhielten die Bakongo in Angola, Zaire und Kongo-Brazzaville gleichzeitig Auftrieb. In der zairischen Provinz Bas-Zaire, die das Gebiet zwischen Kinshasa und dem Meer umfaßt, begann die Provinzregierung 1991 alle Nichtbakongo zu vertreiben – als Teil der ethnischen Säuberungspolitik des Mobutu-Regimes.

Unter angolanischen Bakongo- Exilanten bildete sich eine „Bewegung für die Autonomie des Kongo“ (Mako), in der sich auch Dissidenten der angolanischen Regierungspartei wiederfanden. In der ölreichen angolanischen Exklave Cabinda, wo viele Bakongo leben, erstarkte eine eigene Autonomiebewegung. In Kongo-Brazzaville, in dessen Süden die Bakongo die Bevölkerungsmehrheit stellen, waren Bakongo-Politiker führend bei der Demokratisierung, die 1992 zur Abschaffung der Militärdiktatur von Denis Sassou- Nguesso führte. Nach freien Wahlen wurde damals der Südkongolese Pascal Lissouba Präsident, und er hatte mehrere Bakongo als Premierminister.

1997 aber veränderte sich die Lage ganz entscheidend: In Zaire wurde das Mobutu-Regime von den Rebellen Laurent Kabilas vertrieben. In Kongo-Brazzaville stürzte Exdiktator Sassou-Nguesso die gewählte Regierung Lissouba – mit Hilfe angolanischer Regierungstruppen. In Angola mußte die Unita im Rahmen des Friedensprozesses eine militärische Position nach der anderen aufgeben. In allen drei Fällen fanden sich die Bakongo auf der Verliererseite wieder. So ist es durchaus logisch, daß sich die Verlierer des Jahres 1997 zusammentun.

Die Oppositionsmilizen des gestürzten Präsidenten von Kongo- Brazzaville stehen bereits zusammen mit Unita-Rebellen in der angolanischen Öl-Exklave Cabinda. Angolas Regierung ist derweil dabei, illegal eingewanderte Kongolesen zu Hunderten abzuschieben. In der Demokratischen Republik Kongo hat zudem die Regierung Kabila nie richtig die Kontrolle über die Provinz Bas-Zaire errungen, die heute wieder Bas-Congo heißt. In der dortigen Stadt Muanda suchte „König Mizele“ nach dem 2. Juli Unterschlupf, bevor er schließlich festgenommen wurde. „Unita-Führer Savimbi“, meint ein Bakongo-Exilant, „könnte diese Region nutzen, um sein Spiel weiterzuspielen.“ Dominic Johnson

Oliver Meisenberg