Schwein gehabt, Herr Kirch! Staatsanwälte geben auf

■ Verfahren gegen Medienmogul Leo Kirch eingestellt: Nicht genügend Beweise für eine Hinterziehung von 400 Millionen Mark Steuern. Dennoch muß Kirch vielleicht nachzahlen

Berlin/München (taz) – Leo Kirch kann aufatmen. Die Münchner Staatsanwaltschaft stellte gestern das Ermittlungsverfahren gegen den Medienmogul ein, in dem Kirch verdächtigt wurde, eine Summe von mehr als 400 Millionen Mark an der Steuer vorbeigeschmuggelt zu haben. Bei den dreijährigen Ermittlungen hätten sich nicht genügend Tatsachen für eine Anklage ergeben, erklärte gestern Oberstaatsanwalt Manfred Wick. Die genauen Gründe für die Entscheidung wollte er nicht nennen und verwies auf das Steuergeheimnis. Damit wird eines der spektakulärsten Steuerverfahren beendet, ohne daß Anklage erhoben wurde.

Der 71jährige Leo Kirch führt das neben dem Bertelsmann-Konzern mächtigste deutsche Fernsehunternehmen. Er beherrscht mit seiner Familie u.a. große Teile des Film- und Sportrechtegeschäfts (Fußball-WM 2002 und 2006), des Privatfernsehens (Sat.1, Pro 7, DSF) und ist Großaktionär beim Springer-Verlag (Bild, Welt).

Ein Steuerprozeß hätte Kirch gerade noch gefehlt. Schon allein durch das Verfahren war der Medienmogul in enorme Bedrängnis bei seinen Geldgebern geraten. Die Ermittlungen hätten die Aussichten auf Kredite „erheblich negativ“ beeinflußt, mußte im Oktober Kirchs Finanzchef Herbert Schroder einräumen. Kredite hatte Kirch vor allem deshalb gebraucht, weil er Milliarden in das digitale Bezahlfernsehen investiert, aber kaum Kunden gefunden hatte. Die Allianz mit dem Medienkonzern Bertelsmann, der Kirch entlasten sollte, hatte die EU-Wettbewerbsaufsicht verboten. Nach dem Verbot hatten Branchenbeobachter vermutet, Kirch müsse aus Finanznot demnächst einzelne Beteiligungen abstoßen.

Die gestrige Einstellung der Steuerermittlungen muß allerdings nicht bedeuten, daß Kirch von allen bei dem Verfahren in Frage stehenden Steuerverpflichtungen entlastet ist. Es könne immer noch ein „Steuerfestsetzungsverfahren der Finanzbehörden“ geben, sagte Ermittler Wick der taz. Es sei nicht dasselbe, „ob jemand strafrechtlich belangt wird, oder ob er noch Steuern zahlen muß“.

Die Ermittlungen, bei denen u.a. Kirchs Firmenzentrale, die Sender Pro 7 und Sat.1 sowie Büros von Geschäftspartnern in der Schweiz durchsucht worden waren, hatte die Staatsanwaltschaft gemeinsam mit den Finanzbehörden geführt: „Die kennen alle Akten“, sagte Wick. Hans Schüller von der Oberfinanzdirektion München erklärte, generell sei es möglich, daß in solch einem Fall Steuern nachgefordert würden. Allerdings seien solche Forderungen nach spätestens fünf Jahren verjährt. Die Ermittler untersuchten jedoch auch mögliche Gewerbe-, Umsatz- und Vermögenssteuervergehen Kirchs aus den Jahren 1993 bis 1995, wie ein Dokument des Münchner Amtsgerichts aus dem Verfahren zeigt.

Hauptsächlich ging es bei den Steuerermittlungen jedoch um ein Geschäft, das Kirch vor neun Jahren abwickelte. Damals hatte der Medienmogul ein riesiges Filmpaket für 550 Millionen an eine Firma seines Geschäftsfreundes, des Schweizer Handelsmultis Otto Beisheim (Kaufhof/ Metro-Gruppe), verkauft. Kurze Zeit später kauften Kirchs Sender Sat.1 und Pro 7 die Filme für 1,65 Milliarden Mark zurück. „Ein Scheingeschäft“, wie auch das Münchner Amtsgericht in einem Durchsuchungsbefehl von 1996 vermutete: „Ein vernünftiger Kaufmann schanzt keinem Konkurrenten Hunderte von Millionen zu und beraubt sich zusätzlich noch seines größten Abnehmers von Filmen, Sat.1 und Pro 7 GmbH, die er bisher exklusiv belieferte.“

Trotz weitreichender Verdachtsmomente, die sich aus den bei Hausdurchsuchungen im Firmengeflecht sichergestellten Unterlagen ergaben, reichte es offenbar am Ende nicht für eine Anklage. Im Hause Kirch kommentierte Sprecher Johannes Schmitz lapidar: „Wir haben nichts anderes erwartet.“ Georg Löwisch, Lutz Meier