Vorkämpferin der Romafrauen

Blanka Kozma ist eine der wenigen ungarischen Romafrauen mit Hochschulabschluß. Dazu ist sie unverheiratet. Ehrenamtlich leitet sie den Verband „Romafrauen im öffentlichen Leben“. Ein Vorbild für Romamädchen will sie nicht sein, dazu erscheint ihr ihr Leben zu hart  ■ Von Ute Kätzel

Blanka Kozma wohnt in der ungarischen Hauptstadt Budapest in einem großen, alten Mietshaus in der Nähe des Parlaments. Ihre Wohnung liegt im vierten Stock. Vom – für Budapester Mietshäuser der Jahrhundertwende typischen – Innenhof gehen die Wohnungstüren weg. Alles ist sehr hellhörig. Noch einige andere Romafamilien wohnen in diesem Haus, zumeist auf engstem Raum. Im Vergleich dazu ist es fast Luxus, daß Blanka Kozma eine Einraumwohnung mit Küche für sich allein hat.

Der Eingangsbereich ist zum Wohn- und Arbeitszimmer umfunktioniert. Auf dem Tisch steht ein Computer, und er ist übersät mit Unterlagen. Blanka Kozmas Wohnung ist die Zentrale des Romafrauenverbandes. Ein eigenes Büro oder gar eine Sekretärin kann sich der Verband aber nicht leisten. Räumlichen Unterschlupf gewährt immerhin der Frauennotruf „Nane“.

Kozma gehört zu den wenigen Romafrauen, die eine Hochschulausbildung haben. Zwei Abschlüsse hat sie: in Soziologie und Wirtschaftswissenschaften. Zunächst war sie Lehrerin an verschiedenen Schulen, an der Universität und dann Journalistin. Seit zehn Jahren verdient sie ihr Geld als Sozialarbeiterin beim neunten Distrikt der Stadt Budapest und betreut die dort lebenden Roma. „Als Roma bekommt man selbst mit einem Diplom schlecht Arbeit. Es ist unwahrscheinlich, eine Stelle zu finden, wo du deinen Kenntnissen entsprechend etwas leisten kannst“, stellt sie nüchtern fest.

Das Gespräch ist nicht einfach. Persönlichen Fragen weicht sie aus. Auf der anderen Seite ist sie unerwartet offen. „Ich habe Angst davor, im Alter arm zu sein“, bekennt sie, nachdem wir über ihre Familie gesprochen haben.

Ihre Mutter mußte die drei Kinder, die alle von verschiedenen Vätern stammen, allein großziehen. Blanka Kozma selbst war die Nachzüglerin und hatte es daher etwas leichter als ihre Geschwister, da die Mutter für sie allein sorgen konnte. Ein Studium war für Blanka Kozma nur möglich, weil Unterkunft und Verpflegung vom ungarischen Staat bezahlt wurden und sie zudem ein kleines Stipendium erhielt.

Die heute Vierzigjährige unterstützt von ihrem Gehalt die kranke Mutter, den Bruder, die neunzehnjährige Nichte und deren Kind. „Ich habe kein Kind. Aber ich habe viele Kinder, die ich ernähre“, sagt sie mit unbewegter Miene. Sie wirkt müde und überarbeitet, klagt darüber, daß ihre Gesundheit nach einer schweren Operation angeschlagen sei.

Wenn sie über ihre Arbeit als Vorsitzende des Verbandes der „Romafrauen im öffentlichen Leben“ spricht, kommt Leben in ihr Gesicht. Darüber redet sie gerne. Seit 1995 leistet sie unermüdlich ehrenamtliche Arbeit. Der Verband hat nie Geld, und so erhält auch sie für ihre Tätigkeit keine Entschädigung.

Aber auch beim Thema Verbandsarbeit reagiert sie auf manche Fragen ausweichend. Wie zum Beispiel Gewalt in der Familie. Ja, die komme vor, aber auch nicht häufiger als in der übrigen Gesellschaft. „Nur redet die Presse häufiger darüber, wenn es ,Zigeuner' sind“, meint sie. Auch über die spezifische Situation der Romamädchen will sie sich nicht weiter äußern.

Armut und Arbeitslosigkeit seien die größten Probleme für den Romafrauenverband – und der daraus resultierende Alkoholkonsum. „Viele Familien rutschen ab und halten nicht mehr zusammen.“ Doch das wichtigste sei, daß sich die Familien und die Gemeinschaft nicht auseinanderdividieren ließen.

Dem Thema „Feminismus“ steht sie erstaunlich offen gegenüber. Erstaunlich deshalb, weil in Ungarn „Feministin“ noch immer als Schimpfwort gilt. Durch den Kontakt mit der westlichen Frauenbewegung hatte Blanka Kozma 1995 wichtige Anregungen für die eigene Organisation erhalten.

Zusammen mit zwanzig anderen ungarischen Frauen etwa reiste sie auf Einladung der „League of Women Voters“ auf einen Kongreß für NGOs (regierungsunabhängige Organisationen) in die USA. „Dort habe ich erstmals erlebt, wie stark Frauen sein können, und gesehen, wie sie sich selbst organisieren.“

Ihre Aktivitäten im Romafrauenverband haben die Sozialarbeiterin Blanka Kozma in Ungarn weithin bekannt gemacht. Aber ein Vorbild für die Romamädchen will sie nicht sein. „Es ist kein leichtes Leben, das ich führe“, sagt sie. „Von einer Minderheit stammen, mit guter Ausbildung und obendrein als nichtverheiratete Frau, das sind viele Nachteile auf einmal.“

Manche Romamänner versuchen, ihre Position als Vorsitzende der Organisation zu untergraben, indem sie sagen, sie sei lesbisch. Blanka Kozma äußert sich zu dieser Behauptung nicht – wohl aus gutem Grund. Als Lesbe hätte sie wohl einen noch schwereren Stand, als es ohnehin schon der Fall ist. Denn als unverheiratete Frau mit Hochschulausbildung entspricht sie dem traditionellen Frauenbild nicht einmal annähernd. Die meisten Romafrauen heiraten, bevor sie zwanzig sind, und fünf bis sechs Kinder sind keine Seltenheit. „Sehr viel Privatleben habe ich nicht, denn ich werde von der Romagesellschaft beobachtet. Manchmal bin ich gar nicht glücklich. Aber andererseits habe ich ein gutes Leben, weil ich arbeiten kann. So kann ich meine Familie und meine Freunde unterstützen.“

Es ist ein Kampf mit dem Rücken zur Wand unter ständigem Beschuß aus den eigenen Reihen. Romamänner und auch Frauen werfen der Organisation vor, es gebe in Wahrheit gar keine „Frauenfrage“ bei den Roma. „Es ist eine sehr patriarchalische Kultur“, sagt Kozma. „Es ist sehr selten, daß ein Mann überhaupt etwas machen würde im Haushalt. Dafür sagt er ständig seiner Frau, was sie zu tun hat. Die Frauen machen das auch und arbeiten unheimlich viel. Sie sind es eigentlich, die die Familien erhalten. Aber sie haben nicht das dementsprechende Selbstbewußtsein und Selbstwertgefühl.“

Und über ihre berufliche Zukunft will Blanka Kozma lieber nicht sprechen. Der ungarische Staat spart vor allem auch im sozialen Bereich. Aber noch ist ihre Stelle als Sozialarbeiterin sicher.