Kritik an Johns Bosnien-Einschätzung

■ Gesellschaft für bedrohte Völker wirft der Ausländerbeauftragten Barbara John Mitverantwortung für die Bosnien-Abschiebungen vor

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat schwere Vorwürfe gegen die Ausländerbeauftragte Barbara John (CDU) erhoben. John trage eine „erhebliche Mitverantwortung“ an der Abschiebung von 74 Bosniern aus Berlin am 9./10. Juli, weil sie in einem Schreiben vom Mai dieses Jahres an das Verwaltungsgericht Berlin die politische Lage in „allen Gebieten von Bosnien-Herzegowina als sicher für rückkehrende Flüchtlinge“ darstellte. Sie trage dazu bei, daß Innensenator Schönbohm „sämtliche Skrupel verliert und zu brutalsten Mitteln gegen die Schutzsuchenden greift“, kritisierte GfbV-Vorsitzender Tilman Zülch. John wies die Vorwürfe gegenüber der taz als „haltlos“ zurück.

In dem Schreiben beruft sich John unter anderem auf die UN- Flüchtlingskommission (UNHCR). Der UNHCR stellte allerdings jüngst fest, daß Flüchtlinge auf keinen Fall abgeschoben werden sollten, wenn sie einer ethnischen Minderheit in der Abschieberegion angehörten. Als weitere Quelle, vor allem für die Lage in der Republika Srpska, zieht John den Flüchtlingsminister der Republika Srpska, Miladin Dragičević, heran. Laut John hatte Dragičević bei einem Berlin-Besuch im April die Zweifel an der Sicherheit in der Republika Srpska ausgeräumt. Im gesamten Bosnien-Herzegowina und „unter dem Vorbehalt der weiteren politischen Entwicklung in der Serbischen Republik“ sei nicht davon auszugehen, folgert John, „daß Menschen wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit von staatlicher Seite gefährdet sind.“

Nach Ansicht der GfbV verschweigt John allerdings, daß die serbische Regierung nur ein Drittel der Republika Srpska kontrolliert und Kriegsverbrecher in der Regierung sitzen. Diese Kritik hält Barbara John für ungerechtfertigt. Die Regierung sei international anerkannt, auch wenn „nicht alles eitel Sonnenschein ist“. Im übrigen würden die Richter die politischen Verhältnisse in der Republika Sprska kennen. John legte gegenüber der taz Wert darauf, daß sie in dem Brief nur Repressalien von staatlicher Seite ausgeschlossen habe. Das heiße aber nicht, daß sie sich für Abschiebungen ausgesprochen habe.

Mit dem Schreiben reagierte die Ausländerbeauftragte auf eine spezielle Anfrage eines Verwaltungsrichters. Er habe Auskünfte über ein Gespräch zwischen ihr und dem Ministerpräsidenten der Republika Srpska, Milorad Dodik, verlangt. Jutta Wagemann