"In fünf Jahren haben wir Ökosteuern"

■ Hans-Christoph Binswanger, Umweltökonom und Vordenker einer ökologischen Steuerreform, fordert die Besteuerung aller Energieträger und kritisiert die Subventionierung von erneuerbaren Energien. Sinnvo

Hans-Christoph Binswanger ist Mitbegründer des Instituts für Wirtschaft und Ökologie an der Schweizer Uni St. Gallen, er gilt als Vordenker einer ökologischen Steuerreform. SPD-Kanzlerkandidat Gerhard Schröder bittet ihn in seinem neuen Buch „Und weil wir unser Land verbessern...“ in Briefform um Ratschläge zur Einführung einer Energiesteuer.

taz: Herr Binswanger, Ökologie ist alles andere als ein politischer Schwerpunkt des Technokraten Gerhard Schröder. Benutzt er jetzt den im Spiegel vorab öffentlichkeitswirksam publizierten Brief an Sie als grünes Feigenblatt?

Hans-Christoph Binswanger: Ob dieser Brief nur eine Alibifunktion hat oder ein wirkliches Engagement ankündigt, kann ich nicht beurteilen. Wenn Gerhard Schröder aber meinen Rat will, erhält er ihn auch.

Der Streit um Energieabgaben ist vor allem um die Forderung der Grünen entbrannt, wonach Benzin mittelfristig fünf Mark pro Liter kosten müsse. Hat Schröder recht, wenn er den Preis „nicht zumutbar“ nennt?

Im Grundsatz ist eine Erhöhung der Benzinsteuer auf fünf Mark pro Liter sicher richtig. Sinnvollerweise würde man eine solche Abgabe europaweit einführen.

Wartet man auf eine europäische Einigung, dürfte sich die Einführung weiter verzögern.

Selbstverständlich ist es weiterhin sinnvoll, im eigenen Land Energieabgaben zu entwickeln. Optimistisch stimmt die Tatsache, daß im ersten Halbjahr 1999 Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt. Schröder verspricht in seinem Brief, im Rahmen der ohnehin geplanten Steuerharmonisierung die ökologische Steuerreform aufs Tapet zu bringen, falls er gewählt wird.

Im Schweizer Nationalrat wird über eine Energieabgabe bereits verhandelt – die Sie aber als „Camouflage-Aktion“ abkanzeln.

Nach den Vorstellungen des Nationalrats sollen erneuerbare Energien nicht besteuert werden. Im Gegenteil, er will sie auch noch mit jährlich 800 Millionen Franken fördern. Darunter fallen sogar Wasserstauwerke, jene Bauten also, die seit langem und zu Recht den Widerstand von Umweltexperten hervorgerufen haben.

Auch eine Unterstützung der Windenergie finden Sie falsch.

Angesichts der kleinen Strommengen aus Windturbinen tendiert das Potential zur CO2-Reduktion gegen Null. Mit denselben Investitionen in Blockheizkraftwerke, die bei einem sehr hohen Wirkungsgrad Strom und Wärme produzieren, könnte man die 30- bis 40-fache Menge CO2 vermeiden. Negativ zu Buche schlägt bei der Windenergie schließlich die Landschaftszerstörung und Lärmbelästigung der Anwohner.

Selbst hinter die Energiegewinnung aus Biomasse setzen Sie Fragezeichen.

Der Energieträger Holz ist sicher sinnvoll. Wenn aber Rüben, Raps und Chinaschilf speziell zur Energienutzung angebaut werden, ist die Energierendite unter dem Strich gering. Schraubt man dann noch die Erträge mit Pestiziden und synthetischem Dünger hoch, ist das eine Ohrfeige für die biologische Landwirtschaft.

Bis heute ist weder die Wind- noch die Solartechnologie wirtschaftlich. Könnte eine Subventionierung nicht den Kick geben?

Der Staat soll die Technologie fördern, indem er die Forschung unterstützt. Ich bin aber der Ansicht, daß für die Massenproduktion von Solarzellen der Zeitpunkt noch nicht da ist.

Wie sonst aber soll die Energiewende erreicht werden?

Wir müssen uns von der Idee verabschieden, erneuerbare Energie sei per se ökologisch einwandfrei. Dieses Denken verleitet dazu, verschwenderisch damit umzugehen. Statt erneuerbare Energiequellen zu subventionieren, ist es wirtschaftlich und ökologisch viel erfolgversprechender, die Energieeffizienz und das Energiesparen voranzutreiben. Auch heute noch liegen in der Wirtschaft, bei Privaten und im Verkehr riesige Sparpotentiale brach, weil Energie zu billig ist. Ich schlage vor, jede Energie, ob erneuerbar oder nicht, zusätzlich zu belasten. Ausnehmen könnte man Blockheizkraftwerke.

Und wohin mit dem Geld?

Ich habe schon 1983 in meinem Buch „Arbeit ohne Umweltzerstörung“ betont, das Geld müsse der Wirtschaft zurückgegeben werden. Indem man die Lohnnebenkosten entlastet, wird die Arbeit billiger, ohne daß die Löhne gesenkt werden müssen.

Besonders energieintensive Branchen wie die Schwerindustrie wollen einen reduzierten Abgabensatz geltend machen. Läßt man hier nicht die Großen laufen?

Eine Sonderlösung ist sinnvoll. Insbesondere bei einem Alleingang von Deutschland oder der Schweiz schlage ich aber vor, diese Ausnahme an Bedingungen zu knüpfen: Die Fabrikbetreiber sollen nachweisen müssen, welche Anstrengungen sie zur Reduktion ihres Energieverbrauchs unternommen haben und unternehmen.

Vor 15 Jahren haben Sie die Idee einer ökologischen Steuerreform ins Gespräch gebracht. Wann wird sie Wirklichkeit?

Ich denke, in fünf Jahren werden wir soweit sein. Interview: Pieter Poldervaart