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Weichspüler, Egomanen und andere Tyrannen

■ Und er lächelt doch: Seine Majestät Van Morrison residierte Sonnabend im ausverkauften Stadtpark

Einmal läßt er beschwingt den linken Arm kreisen, und zeitweise sieht es sogar so aus, als könnte gleich ein Lächeln über sein Gesicht huschen. Der Herr amüsiert sich königlich, das heißt, wie ein König. Seine Majestät Van Morrison gibt kurze mimische Signale, und die Welt, die stolz darauf sein darf, zu seinen Füßen im Staub des Stadtparks zu vegetieren, muß sie deuten. So wie seine Band. Hier ein Schnippen, dort ein fast unmerkliches Nicken, und noch in die letzten Takte eines Songs gibt Van Morrison für seine Band den nächsten Titel an. Manchmal schiebt er kurz sich und seinen quadratischen Anzug hinter die Bühne, um von dort via Rowdy die Musiker über den von ihm gewählten Fortgang des Konzerts zu informieren.

Van Morrison ist ein Herrscher, dem man sich bedingungslos unterordnen muß. Das eine oder andere Verbrechen am guten Geschmack und am gemeinen Menschenverstand ist da hinzunehmen: seine immer etwas lächerlichen Kostümierungen, seine regelmäßigen religiösen Erleuchtungen, seine Bruchlandungen im Philosophischen. Gerade erst vor kurzem brachte er eine Sammlung rammdösiger alter Blues-Nummern heraus, die zu recht nie zuvor veröffentlicht worden waren. Titel: Philosopher's Stone.

Doch den Stein der Weisen holt Van Morrison an diesem Sonnabend nicht heraus, dafür aber sein Saxophon und fast alle seine Klassiker. Auf Coverversionen verzichtet er gänzlich, gut so. Keine Ahnung, ob es irgendwo dieses Land gibt, das sich der Ire nun schon seit über 30 Jahren herbeizusingen versucht, wo der Honig fließt und die Liebe regiert und wo alles so gut riecht. Aber wer braucht schon so einen Ort – die Stimme von Van The Man ist Ort genug. Hier kann man gedeihen, sich wärmen, Nächte durchstehen. Und Van Morrison, der Grantige, gibt heute im Stadtpark Van Morrison, den Großzügigen. Er spielt alle Songs, die diesen mythischen Ort definieren: von „Tupelo Honey“ bis „Healing Game“, von „Moondance“ bis „Summertime in England“. Letzterer ist denn auch der definitive Höhepunkt des Konzerts: Der Saxophonist Pee Wee Ellis und Van Morrison improvisieren im schon spirituellen Answer-response-Verfahren. Da gibt es auch für Van Morrison, den Schrecklichen, kein Halten mehr. Und – ich schwöre, ich habe es gesehen – er hat doch gelächelt.

Christian Buß

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