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: Wollten wir das wirklich sehen?

„III nach 9“, Fr., 22 Uhr, N 3

„(Wollen wir das wirklich sehen?)“ hatte die Bild-Zeitung unter ihre Schlagzeile vom 3. Juli geschrieben – und drüber, in den gewohnt unangemessen großen Lettern: „Marienhof-Star Susanna Wellenbrink. Sie kriegt ihr Baby live im TV“.

Genau drei Wochen später war es dann soweit: (Ex-)Marienhof-Nebenrolle Susanna Wellenbrink war live im TV. Ihr Baby war auch dabei, allerdings noch in utero. Statt der Leibesfrucht aber erblickte im Talkstudio von Radio Bremen etwas anderes, Unansehnlicheres, das Licht der Fernsehwelt: die Wahrheit. Daß die Tochter von Melitta-Mann Egon Wellenbrink dasaß, als wäre sie die Tochter von Ursela Monn und Christine Kaufmann z.B. (wem das was sagt...); oder daß diese Susanna in ihrer juvenilen Graviditätsduseligkeit ganz offensichtlich einen Pakt mit ihrer PR-Agentur geschlossen hatte – einer „großartigen Presseagentur“, wie Talkmeister Giovanni di Lorenzo bemerkte, bevor er für uns und Susanna („Darf ich mal sehen?“) aus dem PR-Konzept zitierte, das allerlei Fernsehsendern angeboten wurde, aber nicht mal RTL2 interessiert.

Gut 20 packende Talk-Minuten dauerte die exemplarische Demontage dieses x-beliebigen Medienhypes. Und am Ende mußte man der Bild-Zeitung Recht geben. Oder hatten wir das etwa wirklich sehen wollen?

Die verbleibenden anderthalb Stunden der besten aller deutschen Talkshows jedenfalls hätte man zumindest nicht sehen müssen: Magdalena Brzeska hat keine Heimat; Offenbach ist eine wunderbare Stadt; Marcel Reif ist ein guter Mensch; „Liebesgrüße aus der Lederhose“-Regisseur Franz Marischka ist der deutsche Ed Wood und Chris Howland 70 Jahre alt. Abspann.

Doch halt! Als der alte Mann – beiläufig-lässig wie sonst vielleicht nur Manne Krug und Charlie Brauer im „Tatort“ – eine anrührige Eigenkompositionsminiatur ins Studiopiano klimperte, schweiften die Gedanken ins Melancholische: Nicht wahr? Klangen Howlands 45 Mollsekunden nicht wie ein spätes Requiem für Juliane Bartel, Giovannis im April verstorbene Co-Moderatorin? Und ihre Nachfolgerin Amelie Fried (auch dieser Gedanke mochte da unsere Aufmerksamkeit streifen): Ist sie nicht eventuell, möglicherweise, gegebenenfalls, unter Umständen und Vorbehalt usw. tatsächlich eine erstaunlich gute Wahl? Christoph Schultheis