„Äch bin wieder da!!“

In „Adolf“, dem neuen Comic von Walter Moers, verläuft sich Hitler im alltäglichen Medientrash. Das ist mal lustig, aber nicht immer funktionieren Ironie und Distanz  ■ Von Detlef Kuhlbrodt

Walter Moers ist vielseitig. „Käpt'n Blaubär“ für die Kleinen und ihre netten Eltern, das kleine Arschloch für Junge und Junggebliebene und nun Adolf, die Nazisau.

Vor ein paar Jahren hätte Hitler im deutschen Comic vermutlich noch für Skandal gesorgt. Selbst Art Spiegelmanns vielgelobter „Maus“-Comic war anfangs auf Unverständnis gestoßen, auch wenn der New Yorker Zeichner durchgesetzt hatte, seinen Band auf die Sachbuch-Bestsellerliste der Times zu setzen. Inzwischen mag man die Diskussionen, die es um „Maus“ gab, zwar noch verstehen, nachvollziehen lassen sie sich nicht mehr so recht. Wobei der Vergleich Spiegelmann/Moers eher der Verlegenheit entspringt.

Mit der aufklärerischen Absicht, mit der Spiegelmann auftrat, hat Walter Moers genausowenig zu tun wie mit amerikanischen Anti-Nazi-Comics, die zu Kriegszeiten gegen die Deutschen Stimmung machen sollten. Wobei die amerikanische Variante damals nicht unumstritten war. Herbert Marcuse zum Beispiel lehnte sie in seinen Berichten für den amerikanischen Geheimdienst ab.

Mit einem fröhlichen „Äch bin wieder da!!“ grüßt der Führer so lustig nasenbetont wie die anderen Moers-Figuren vom Umschlag. Kein Schreckensmann, sondern eher ein skurriler Loser, der als Hitler neue Kraftfelder im Dienste des Humors erschließen mag. „In Wirklichkeit habe ich dieses Buch gemacht, weil Adolf Hitler so einfach zu zeichnen ist. Man braucht dafür nur sechs kleine Zutaten: Nase, Augen, Mund, Bart, Ohr, Frisur.“ Eigentlich unterscheidet sich Moers' Hitler nur durch Bart und Frisur von seinen anderen Figuren. „Wir erinnern uns: Adolf hatte leider den 2. Weltkrieg verloren und mußte untertauchen. Jahrelang lebt er in der Kanalisation und darf über seine Fehler nachdenken.“ „Äch hätte Rossland besser über die Flanke angreifen sollen...“, denkt er. Dann verjährt endlich seine Schuld.

Ziellos irrt er durch eine Welt, die er nicht mehr versteht, trifft einen Psychoquacksalber, tritt in Bioleks Kochstudio auf, kümmert sich lieb um sein Tamagotchi, bis er entdeckt, daß es aus Japan stammt („Dä Japsen, dä Japsen! Älände Verräter!!“), bekommt „einen ordentlichen Fick“ verschrieben, den er bei Hermann Göring einlöst, der nach einer Geschlechtsumwandlung anschaffen geht und cracksüchtig ist. Nach dem ersten Pfeifchen verfällt auch Hitler dem Gift und bringt Göring um.

Lustig verläuft sich Hitler im alltäglichen Medientrash. Ein bißchen Realismus mag auch mitschwingen: In der modernen Medienwelt hätte der Führer, der beim Monopoly-Spielen in der Beethovenstraße ein KZ bauen will, wohl keine Chance. In dem Moment, wo Moers' Adolf dann weltgeschichtlich tätig wird – als Chauffeur verantwortlich ist für den Tod von Prinzessin Di und Dodi, von Aliens entführt wird, die den bösesten Mann mit der gütigsten Frau, Mutter Teresa, kreuzen wollen – und sich zuletzt herausstellt daß Dr. Furunkel in Wirklichkeit die Prinzessin der Herzen ist, kippt der Comic um und verliert die Distanz, die Trash erst genießbar macht.

Als die erste Adolf-Geschichte vor ein paar Monaten in Titanic erschien, fand ich sie unglaublich komisch, ohne daß ich lange darüber hätte nachdenken wollen, was daran so komisch ist. Nun liegt Moers' „Adolf“ seit zwei Wochen auf meinem Schreibtisch; immer wieder verdrängt und weggeschoben. Artikel über Moers' Adolf brachen immer wieder ab, wenn es darum ging, was an Adolf in Zeiten zunehmender Rechtsradikalisierung lustig sein könnte. Wahrscheinlich eine falsche Frage, hinter der eine andere steht – darf man darüber lachen? –, hinter der wieder etwas anderes steht, was mit Humor wenig, mit billiger Moral viel zu tun hat: Ist der, der über Adolf lacht, unverantwortlich, zynisch, ein verkommenes Subjekt? Sicher nicht. Die Bilder des realen Hitler reizten die in den 60er Jahren Geborenen schon eher zum Lachen. Man verkniff es sich beim Pflichtbesuch von „Hitler – eine Karriere“. Rechtsradikale Jugendliche werden Moers' „Adolf“ sicher hassen, was auf der anderen Seite auch nicht fürs Buch spricht.

Walter Moers: „Adolf“. Eichborn Verlag, Ffm. 1998, 24,80 DM