Nachfrage sinkt, Hertie schließt

■ Hertie-Exitus am Halleschen Tor ist nur die Spitze des Eisbergs. Karstadt verhandelt schon über den Verkauf seines Kaufhauses

Die für März 1999 angekündigte Schließung des Hertie-Kaufhauses am Halleschen Tor gilt als jüngstes Symptom der schwierigen Lage im Berliner Einzelhandel. „Seit sieben Jahren erleben wir bei den Umsätzen einen Sinkflug“, sagt Nils Busch-Petersen, Geschäftsführer des Einzelhandelsverbandes. Auch Ingo Pfeiffer, Mitarbeiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), hält die „schwache Kaufkraftentwicklung, die weiter anhalten wird“ für ausschlaggebend. Aufgrund der Arbeitslosigkeit und sinkender Reallöhne nimmt die Nachfrage der Bevölkerung ab. Karstadt als Eigentümer der Hertie-Kaufhäuser hatte die geplante Schließung mit „anhaltenden drastischen Umsatzeinbrüchen“ begründet.

Doch nicht nur der Einzelhandel in ärmeren Stadteilen wie Kreuzberg leidet. In einer aktuellen Untersuchung der Blumenauer Immobilien Research GmbH (Bad Soden) rangiert an Wochentagen nicht einmal mehr Berlins Renommier-Einkaufsmeile, der Tauentzien, unter den zehn Shoppingstraßen mit dem höchsten Käuferandrang. Nur samstags kommt die Straße zwischen Gedächtniskirche und Nollendorfplatz auf den zehnten Platz. Der Ku'damm taucht in der Spitzengruppe nicht einmal auf.

Neben abnehmender Attraktivität einzelner Standorte wie des Halleschen Tors macht Busch-Petersen auch die starke Konkurrenz von Einkaufsparks auf der grünen Wiese vor den Stadtgrenzen für die Schwierigkeiten des Einzelhandels verantwortlich. Außerdem führt Blumenauer den mangelnden Kundenandrang auf „das beeinträchtigte Ambiente durch die andauernden Umgestaltungs- und Neubaumaßnahmen“ zurück. Deshalb werden in dem Bericht für die von Baumaßnahmen betroffene Luxuszeile Friedrichstaße „enttäuschende Frequenzen“ bei Flaneuren genannt; für Charlottenburgs Kaufmeile, die Wilmersdorfer Straße, wird ein Rückgang um 50 Prozent beim Passantenaufkommen festgestellt.

Mit Blick auf Hertie am Halleschen Tor zeigt sich HBV-Chef Manfred Birkahn aus einem weiteren Grund verärgert: „Die beabsichtigte Schließung hat Karstadt von langer Hand vorbereitet“, ohne die Beschäftigten zu informieren. Bereits in einem internen Schreiben der Karstadt AG vom 15. Januar werde die Schließung behandelt, so Birkahn. Das Grundstück sei bereits an ein Karstadt-Tochterunternehmen, die Risal Beteilungs GmbH, veräußert worden. Beteiligt am Verkauf sei auch die LHI-Leasing in München. Verhandlungen über den Verkauf liefen bereits mit der Teppich Domäne, die aber die Karstadt-Mitarbeiter nicht übernehmen wolle.

Nur wenige der 160 Mitarbeiter des Hertie-Kaufhauses haben die Qual der Wahl: „Wir werden Mitarbeitern das Angebot machen, in den bundesweiten Filialen zu arbeiten“, so Elmar Kratz, Sprecher des Mutterkonzerns, der Karstadt AG. Jedoch könnten nicht alle Beschäftigten übernommen werden. „Wir werden Abfindungen, abhängig von der Beschäftigungsdauer, zahlen“, so der Sprecher. Peter Sennekamp, Hannes Koch