Die Kohle muß zurück nach Bonn

Kohlezechen müssen Beihilfen zurückzahlen  ■ Aus Brüssel Alois Berger

Die Europäische Kommission in Brüssel hat gestern entschieden, daß die Kohlezechen Preussag Anthrazit und Sophia Jacoba zusammen 20,35 Millionen Mark an Bonn zurückzahlen müssen. Wirtschaftsminister Günter Rexroth protestierte aufs schärfste, doch nach Ansicht der nordrhein-westfälischen Landesregierung sind die Unternehmen mit einem blauen Auge davongekommen.

Noch vor wenigen Wochen hieß es in Brüssel, daß die deutsche Regierung 177 Millionen Mark an zweckentfremdeten Subventionen zurückfordern müsse. Das hätte die Preussag Anthrazit in Ippenbüren vermutlich in den Konkurs getrieben und 3.000 Arbeitsplätze gefährdet. Der Schacht Sophia Jacoba wurde 1997 ohnehin stillgelegt. NRW-Chef Clement war daraufhin selbst nach Brüssel gereist und hat die EU-Kommission offensichtlich überredet, die Rückforderung durch großzügigere Kalkulation auf 20 Millionen herunter zu rechnen.

Hintergrund der Geschichte: Der deutsche Kohlebergbau bekommt jährlich rund 1,75 Milliarden Mark an Verstromungsbeihilfen, damit er seine Kohle zu den wesentlich niedrigeren Weltmarktpreisen an die Elektrizitätsfirmen verkaufen kann. Denn ohne diese Subventionen würden die Energiekonzerne die billigere Importkohle kaufen. Die EU-Kommission hat diese Beihilfen unter der Bedingung genehmigt, daß sie ausschließlich für die Kohleverstromung verwendet wird.

Doch 1996 und 1997 haben die beiden Zechen große Mengen Eierbriketts für 180 Mark die Tonne nach Großbritannien geliefert, obwohl der Herstellungspreis bei 300 Mark liegt. Britische Zechen, die durch die Billigkonkurrenz in Schwierigkeiten kamen, legten deshalb Beschwerde in Brüssel ein. Die Bundesregierung argumentierte, daß das eine mit dem anderen nichts zu tun habe. Bezuschußt werde nur die Verstromung, die Exporte nach Großbritannien seien ohne Beihilfen ausgekommen. Die Zechen gaben an, sie hätten für die Lieferungen vor allem die Halden abgebaut, die längst als Verluste abgeschrieben waren und deshalb keine Produktionskosten mehr verursachten.

Die EU-Kommission, die für die Wettbewerbsaufsicht zuständig ist, sah das nun anders: Die Trennung der Produktion für Verstromung und Export sei „künstlich und unbegründet“. Ohne die staatlichen Beihilfen hätten die Unternehmen nicht zu diesen Preisen anbieten können. Die offensichtliche Quersubvention habe dazu beigetragen, „die Existenzfähigkeit anderer, wesentlich wettbewerbsfähiger Anthrazitproduzenten zu gefährden“.

Die Bundesregierung will die Entscheidung nicht so einfach akzeptieren und droht mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Rexroth fürchtet, daß britische Zechen weitere Forderungen stellen könnten, wenn erst einmal anerkannt ist, daß die Exporte illegal subventioniert wurden. Die NRW-Landesregierung dagegen möchte die Sache auf sich beruhen lassen. Sie war in Gesprächen mit der EU-Kommission zu der Auffassung gelangt, daß die Chancen für einen Freispruch schlecht stehen und die Zechen mit der 20-Millionen-Rückzahlung glimpflich davon gekommen seien. „Prinzipienreiterei“, warnte NRW-Wirtschaftsminister Bodo Hombach, gefährde Arbeitsplätze.