Studieren ohne Gebühren

■ Die Gegner der Rückmeldegebühr an den Unis schöpfen wieder Hoffnung: Ein Gericht in Baden-Württemberg hält Obolus für verfassungswidrig. Die Entscheidung fällt nun in Karlsruhe

Im Streit um die Rückmeldegebühr von 100 Mark je Semester dürfen die StudentInnen wieder hoffen. Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) Baden-Württemberg, das ähnliche Gebühren an den dortigen Hochschulen für verfassungswidrig hält, könnte sich auch auf Berlin auswirken. Im Südwesten müssen die StudentInnen ebenfalls 100 Mark berappen. Dieser Betrag stehe „in keinem Verhältnis“ zum tatsächlichen Aufwand, den die betroffenen Hochschulen mit drei bis 20 Mark angegeben hätten, sagte der Sprecher des VGH.

Im Gegensatz zu ihren Mannheimer Kollegen hatten die Berliner Richter gar nicht erst mit der Höhe des Verwaltungsaufwands argumentiert. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hatte im Januar die Klage einer Studentin der Hochschule der Künste (HdK) unter Verweis auf den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers zurückgewiesen. Es gab sich mit der Argumentation der Parlamentarier zufrieden, die Studenten müßten „in zumutbarer und vertretbarer Weise an den allgemeinen Sparmaßnahmen beteiligt werden“.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), die den Prozeß der HdK-Studentin zum „Leitfall“ erkoren hat, hat gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt. Damit ist auch im Berliner Streit um die Rückmeldegebühr der Weg nach Karlsruhe vorgezeichnet. Läßt sich die nächste Instanz, das Bundesverwaltungsgericht in der Hardenbergstraße, nicht erweichen, will die GEW vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.

Auch wenn die Bundesverwaltungsrichter die Gebühr für verfassungswidrig halten, müssen sie ihre Kollegen in den Roten Roben konsultieren – ebenso wie der Mannheimer VGH dürfen sie ein Gesetz nicht selbst für ungültig erklären, sondern müssen es in Karlsruhe zur Entscheidung vorlegen.

Dort liegt es dann „mindestens ein Jahr, unter Umständen auch sehr viel länger“, so der VGH- Sprecher. Die Chancen, die Gebühr zu kippen, stehen jedoch nicht schlecht. In einer älteren Entscheidung hatten die Karlsruher Richter festgestellt, „daß Gebühren nicht völlig unabhängig von den Kosten der gebührenpflichtigen Staatsleistung festgesetzt werden dürfen“.

Vor diesem Hintergrund hat offenbar auch die Wissenschaftsverwaltung noch einmal nachgerechnet. „Exakte Berechnungen haben nicht vorgelegen“, mußte Senator Radunski im Sommer 1996 vor dem Parlament eingestehen. Gestern rechnete sein Sprecher Axel Wallrabenstein jedoch vor, der Verwaltungsaufwand für Einschreibung und Rückmeldung liege an den einzelnen Hochschulen zwischen 20 und 180 Mark, der Betrag von 100 Mark sei mithin ein „Mittelwert“. Vor allem durch die aufwendigen Auswahlverfahren an den Kunsthochschulen entstünden „erhebliche Kosten“, so Wallrabenstein.

Erhebliche Kosten entstünden aber auch dann, falls die Universitäten die erstmals zum Wintersemester 1996/97 erhobene Gebühr tatsächlich zurückzahlen müßten. Den Gesamtbetrag von rund 27 Millionen Mark pro Jahr hat ihnen das Land nämlich schon im voraus aus dem Haushalt gestrichen. Deshalb müsse im Zweifel „das Land dafür geradestehen“, sagte Wallrabenstein. Ralph Bollmann