Sonnen-Sandwich in schillerndem Blau

Mit US-amerikanischen Massenproduktionen können die Wedeler Solarmodul-Hersteller „Solar Nova“ nicht mithalten. Aber das Unternehmen läuft, seit vier Angestellte es übernommen haben  ■ Von Judith Weber

Solarmodule sind auch nur bessere Autoscheiben. Richtig geschnitten sehen sie aus wie Badezimmerkacheln, blauglänzend und quadratisch, und ihre Herstellung funktioniert wie die eines warmen Sandwichs. Die Vergleiche purzeln nur so, wenn Hans-Jürgen Lowald durch sein Unternehmen führt. Zwar runzelt der Geschäftsführer der Firma „Solar Nova“ abwägend die Stirn, wenn fachunkundige BesucherInnen seinen „Laminator“ als simplen „Ofen“ bezeichnen. Doch der Stolz ist ihm anzumerken, wenn er durch die neue Fertigungshalle geht, in der ein Kran gerade ein Solarmodul von beachtlicher Größe umherhievt.

Hell ist es in dem 800-Quadratmeter-Raum, und auch die Büros nebenan sehen mit ihren großen Fenstern beinahe aus, als könne man selbst die Computer mit Solar-energie betreiben. Ein Hauch von Hektik weht durch den langen Flur. In diversen Büros wird bei offenen Türen geschäftig telefoniert, und im Sitzungsraum hat sich die Deutsche Bundesstiftung Umwelt eingefunden, um die neue Maschine zu begutachten, die sie mitfinanziert hat.

Sicher, die Baustelle neben der Halle staubt noch etwas. In den Ecken warten Umzugskartons darauf, ausgepackt zu werden, und eine Yucca-Palme steht an der Wand, als sei ihr ihre Untätigkeit peinlich. Aber die Maschinen laufen, und in der chaotischen Enge, glaubt Lowald, gedeiht das „teammäßige Klima“ noch besser, das seit knapp zwei Jahren die Arbeit bei „Solar Nova“ bestimmen soll.

So lange ist es her, daß Lowald gemeinsam mit drei Kollegen die Firma vor der Schließung gerettet hat. Das war, als das Unternehmen noch ASE hieß, „Angewandte Solarenergie“ – ein Kind der AEG und der Deutschen Aerospace (DASA). Wegen ausländischer Konkurrenz, zu alten Maschinen und hohen Löhnen sollte der Betrieb geschlossen werden. Damals wurden Lowald sowie drei seiner Kollegen zu firmenbekannten Stänkerern. Sie wetterten gegen die Schließung, schimpften und wälzten Ideen. Schließlich wagten sie eine eigene Lösung: Zusammen nahmen die vier Kredite beim Land Schleswig-Holstein auf, warfen ihre gesamten Abfindungen in einen Topf und gründeten eine neue GmbH.

Seitdem kommen bei „Solar Nova“ vier Geschäftsführer auf 15 Beschäftigte. „Das Mißtrauen der Belegschaft war erstmal riesig groß“, erinnert sich Lowald. Doch als die Skepsis schwand, „war das Anpacken um so intensiver“ – zumal die Stimmung „familiärer geworden ist“, bestätigt Mitarbeiter Ali Tokmak.

Lediglich etwas verloren kamen die 19 Männer und eine Frau sich vor in den geerbten Hallen, in denen einstmals mehr als doppelt so viele Menschen gearbeitet hatten. „Für uns ist es besser, wenn wir enger beieinander sitzen. Das erleichtert die Kommunikation“, meint Lowald. Also wurde gebaut. In dem neuen Haus, in dem das Unternehmen seit rund einem Monat sitzt, sind die Büros direkt neben der Fertigungshalle, und wer mit einem der vier Chefs sprechen will, braucht theoretisch nur mal eben über den Flur zu brüllen.

„Mit den Massenproduktionen aus den USA können wir so nicht mithalten“, wissen die Wedeler Unternehmer. Aber das wollen sie auch nicht. „Solar Nova“ produziert statt dessen alles, was sich vom gemeinen Solarmodul unterscheidet: Da sind die Module, die Energie liefern für moderne Zigarettenautomaten. Wenig größer als eine Stange Filterlose sind sie, und ähnlich schmal. Und da sind die Bauteile, aus denen Lowalds Firma „Solar Nova“ das Dach eines Bremer Cafés zusammensetzte: Mehrere Meter sind sie lang und geformt wie Tortenstücke.

Hergestellt wird beides im Laminator, dem Vakuum-Ofen. Wie bei einem warmen Käsesandwich werden die verschiedenen Bestandteile der Module übereinandergepackt und dann gebacken: Unten eine Glasplatte, darüber Folie. Dann die Solarzelle. Wieder Folie und noch eine Glasplatte oben drauf. Bei mehr als hundert Grad Hitze schmelzen die Folien und verbinden die Schichten miteinander – so fest, daß Hans-Jürgen Lowald zu Demonstrationszwecken auf einem mittelgroßen Modul herumhüpfen und spazierengehen kann, ohne daß es zerbricht. Ließe man die Solarzelle weg, hätte man eine Auto-Heck- oder Frontscheibe.

Damit hätte man das Sonnen-Sandwich jedoch seines schönsten Bestandteils beraubt. Schillernd blau sind die meisten der 0,3 Millimeter dünnen Solarzellen. Mosaikartig gemustert oder unifarben sind sie allein optisch für viele Gebäude ein Gewinn. Auch Bushaltestellen werden häufig mit Hilfe der sogenannten Photovoltaik-Technik beleuchtet – oft aber nur mit kurzzeitigem Erfolg. Denn die Module wurden meist auf Masten neben die Wartehäuschen installiert – was man mittlerweile nicht mehr macht, weil die Dinger ständig geklaut werden. „Die sind ungeheuer begehrt“, amüsiert sich der Geschäftsführer. Trotzdem klingt er ein bißchen stolz.

Im Firmengebäude fällt das schillernde Blau der Module kaum mehr auf: Geschäftsführer Lowald trägt an jedem Jackett ein Mini-Exemplar als Anstecknadel. Sein Hemd ist solarzellenblau gestreift, und auch die Fußleisten sind ähnlich gestrichen. Neben der Küche hat jemand eine Pinnwand aufgehängt. Jede Reißzwecke hält einen Zeitungsausschnitt: Texte über die Rettung der Firma, die sowohl Siegeszeichen als auch Ansporn sein könnten. „Jedenfalls“, sagt Lowald und starrt in die Halle, „stecken hier viele schlaflose Nächte drin.“