Portrait
: Überlebender einer Legende

■ Josef Roman Cycowski

Seltsam, daß es auf dieser Welt immer wieder Dinge gibt, die, übersehen und verloren, auf abgelegenen Dachböden entdeckt werden können. Es muß ja nicht immer gleich das Bernsteinzimmer sein. Noch viel seltsamer, wenn komplette Menschen so sehr aus dem Fokus der Aufmerksamkeit herausfallen, daß sie eines Tages wieder „ausfindig gemacht“ werden müssen. So einer ist der 98jährige Josef Roman Cycowski, letzter lebender „Comedian Harmonist“.

Im vergangenen Winter konnte man Heimo Ferch in der Rolle des polnischen Ex- Opernsänger und tiefgläubigen Juden in Josef Vilsmairs sepiabrauner Pittoreske im Kino erleben. Jetzt wurde der echte Cycowski in seiner Wahlheimat Palm Springs in Kalifornien aufgespürt.

Im Alter von 18 Jahren war Cycowski von Polen nach Deutschland gekommen. Am Stadttheater Beuthen in Oberschlesien fand er eine erste Anstellung als Chorsänger und stand in Cottbus, Stralsund und Rostock auf der Bühne. Aufwärts ging es aber erst, als Harry Frommermann, Gründer der Comedian Harmonists, jene sagenumwobene Anzeige im Berliner Lokalanzeiger aufgab, die auch am Anfang von Vilsmairs Film steht: „Achtung. Selten, Tenor, Baß (Berufssänger nicht über 25), sehr musikalisch, schönklingende Stimmen gesucht“.

Comedian Harmonist: Josef Roman Cycowski Foto: dpa

„Da habe ich mich gemeldet“, erinnert sich Cycowski nun in einem Interview, das „MDR Kultur“ am 6. September ausstrahlen wird. „Wir haben sechs Stunden täglich gearbeitet, um ein Repertoire zu entwickeln. Nach einem Jahr haben wir das erste Konzert in Breslau gehabt. Da sind wir auf den Geschmack gekommen.“

Doch erst im Exil nach 1933 schaffte die Gruppe den internationalen Durchbruch. „In Deutschland, die konnten nur deutsch singen. Damit hatten sie keinen Erfolg. Wir konnten alles machen. Wir waren frei“, sagt Cycowski heute und erinnert sich dennoch gern an die Zeit vor 1933 zurück: „Ich habe ein gutes Leben in Deutschland gehabt.“

Cycowski war es, der mit seinem Austritt 1941 die Auflösung der Gruppe einleitete. Die Konflikte zwischen jüdischen und nicht-jüdischen Mitgliedern, die dazu beitrugen, sieht er heute im milden Nebel der Erinnerung: „Ich war müde. Ich habe genug Geld gehabt und bin Kantor in Los Angeles geworden.“ Das blieb er auch. Noch mit 95 Jahren sang er in der Synagoge. Jörg Magenau